Sinnvoller Einsatz von Szenarien bei Verhandlungen — Ablösesumme für Manuel Neuer

Der Sieg des FC Bayern in der Champions League sorgt nicht nur in München für Freude und volle Kassen: Auch der FC Schalke darf sich über eine satte Bonuszahlung freuen. Grund sind die Ablösemodalitäten für Manuel Neuer. Durch den Königklassen-Triumph winken den Knappen über fünf Millionen Euro, zusätzlich zu den bereits erhaltenen 24 Millionen Euro.
Eine weitere Nachzahlung von über einer Million wird fällig, falls der Rekordmeister auch das Pokalendspiel gegen den VfB Stuttgart gewinnt.
Neuer wechselte im Sommer 2011 von Schalke nach München für ursprünglich 22 Millionen Euro. Der Ablösevertrag enthält allerdings mehrere Klauseln, die bei den Königsblauen weiter die Kassen klingeln lassen. Bereits im letzen Jahr wuchs die Transfersumme auf über 24 Millionen Euro an, weil die Bayern jeweils im Finale des DFB-Pokals und der Champions League standen.
Insgesamt kann die Ablösesumme durch die wachsende Titelsammlung der Bayern so auf etwa 33 Millionen Euro anwachsen. Schalke-Manager Horst Heldt sagte über den Neuer-Poker mit den Bayern mit einem Lächeln: „Bei den Ablöseverhandlungen waren wir gut drauf…“
Quelle: www.t-online.de, 26.5.2013

Der hier beschriebene Sachverhalt ist ein schönes Beispiel für eine sinnvoll angewandte Szenario-Technik in Verhandlungen — und zwar wertschöpfend für beide Partner!

Wie funktioniert die Szenario-Technik?

Mit Hilfe von Szenarien können Verhandlungspartner bestehende Unsicherheit in Vereinbarungen berücksichtigen. Die Unsicherheit kann sich auf zukünftige Entwicklungen beziehen (Preise, Verkaufszahlen, Umweltbedingungen oder eben auch sportlichen Erfolg einer Fußballmannschaft) oder nicht objektiv oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand bestimmbare Eigenschaften eines Verhandlungsgegenstands.

Dabei werden an die Stelle einer eindeutigen Formulierung bei der Vereinbarung alternative Regelungen für die verschiedenen Szenarien gesetzt. In unserem Beispiel offensichtlich der eventuelle Gewinn von sportlichen Titeln oder Platzierungen in der Zukunft.

Warum ist die Szenario-Technik sinnvoll?

Szenarien können Unsicherheit effizient in Vereinbarungen einbeziehen. Szenarien machen damit ggf. langwierige und unfruchtbare Verhandlungen überflüssig. Zudem sind Szenarien ein geeignetes Instrument um Wert für beide Verhandlungspartner zu schaffen — und tragen so zu einer substanziellen Verbesserung des Verhandlungsergebnisses bei.

Im konkreten Beispiel lag die Unsicherheit in der (zukünftigen) sportlichen Leistungsfähigkeit des Spielers Neuer und seinem (postulierten positiven) Einfluss auf den sportlichen Erfolg seines neuen Arbeitgebers.

Die Kopplung der endgültigen Transfersumme an zukünftigen sportlichen Erfolg macht es dem FC Bayern München deutlich leichter eine höhere Zahlung zu akzeptieren, auch weil bei den entsprechenden Erfolgen das ursprüngliche Ziel der Verpflichtung definitiv als erreicht gelten kann und mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen.

Die hier getroffene Regelung erhöht die Zufriedenheit BEIDER Parteien mit dem Verhandlungsergebnis. Daher wird sich nicht nur der Schalker Manager freuen …

Ein schönes Beispiel für erfolgreiche Wertschöpfung in einer Verhandlung!

War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?

Ausgangslage

Im August 2012 verpflichtet der HSV seinen ehemaligen Spieler Rafael van der Vaart erneut (siehe Blog „Warum der Wechsel von van der Vaart zurück zum HSV vorhersehbar war“).

In diesem Blog-Beitrag möchte ich mich der Frage widmen, ob die Summe, die letztlich als Transfersumme genannt wurde, aus meiner Sicht gut verhandelt war. Dies ist insbesondere auch deshalb spannend, weil es auch für den Verkäufer ein Leichtes gewesen wäre herauszufinden, dass den Spieler zu kaufen für die Verantwortlichen des HSV eine dominante Strategie darstellte. Die Verhandlungsposition des Verkäufers hätte also als relativ stark eingeschätzt werden können. Dies um so mehr als ein international bekannter Mäzen und Milliardär den Kauf forcierte (siehe Blog „Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?“) (Dass dieser Fakt bekannt ist schwächt die Verhandlungsposition des Käufers (HSV) erheblich!).

Hat sich diese schwierige Konstellation in einem (zu) hohen Kaufpreis niedergeschlagen?

Zusammenfassung des Verlaufs der Verhandlung

Der HSV kommuniziert nach dem Kauf von bereits zwei anderen Spielern für jeweils 4 Mio. € Ablösesumme der Presse sinngemäß „Wir haben kein Geld (mehr) für (noch mehr) neue Spieler.“

Tottenham Hotspur, der Verein, bei dem van der Vaart unter Vertrag steht, fordert zunächst 18 Mio. € Ablösesumme. Nach einem Gespräch des van der Vaart-Beraters mit der Vereinsführung wird diese Summe auf 16 Mio. € abgesenkt (d.h. der Spieler signalisiert dadurch sein Interesse an einem Wechsel). Dies ist die Forderung mit der der Verkäufer in die entscheidende Verhandlungsrunde geht.

Die Antwort des HSV: „Maximal 12 Mio. €, nur möglich durch die Unterstützung von Herrn Kühne.“

Es ist Mittwoch, der 29. August 2012. Am Freitag um 12.00 Uhr endet die Transferperiode.

Am Mittwoch um Mitternacht werden die (telefonischen) Verhandlungen abgebrochen: „Keine Einigung möglich“

In der Nacht zu Donnerstag um 2 Uhr ruft der englische Verein noch einmal auf der HSV-Geschäftsstelle an, wo ein Teil des Vorstands heute nächtigt.

Um 3.30 Uhr gibt es eine Einigung: 13 Mio. €.

Bewertung des Verhandlungsergebnisses

Die Summe von 13 Mio. € liegt näher an der HSV-Grenze (12 Mio. €) als an der letzten Forderung des Verkäufers (16 Mio. €). Das deutet darauf hin, dass

  • der HSV seine Zahlungsgrenze von 12 Mio. € glaubwürdig untermauert hat
  • die Bereitschaft des HSV die Verhandlungen um Mitternacht ergebnislos abzubrechen Eindruck gemacht hat
  • die Bereitschaft bzw. der Druck den Spieler zu verkaufen auf Seiten des Verkäufers doch relativ groß war (immerhin wären noch ca. 24 weitere Stunden „Zeit“ gewesen)

(Es gibt Gerüchte einer direkten Einflussnahme von Sylvie van der Vaart bei Kühne (HSV, Käufer) oder Levy (Präsident Tottenham, Verkäufer) oder sogar beiden (!) um einen Wechsel zurück nach Hamburg zu ermöglichen)

Dessen ungeachtet kann der HSV zum Verhandlungsergebnis nur beglückwünscht werden.