„Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“

Ich bin kein Freund davon ein erstes Angebot in einer Verhandlung zu machen. Manchmal lässt es sich allerdings beim besten Willen nicht umgehen. Früher habe ich versucht unter allen Umständen zu vermeiden, dass ich derjenige bin, der das erste Angebot unterbreitet. Heute gibt es Situationen, in denen ich bereitwillig ein erstes Angebot mache.

Ich will gern erläutern, warum ich zu dieser Überzeugung gelangt bin.

 Verhandlungssituation für ein erstes Angebot

Nach dem Austausch erster Freundlichkeiten zu Beginn einer Verhandlung oder bereits intensiver Erörterung der Fakten und Ausgangslage: Irgendwann kommt der Moment, in dem eine der beiden Verhandlungsparteien ein erstes Angebot macht.

Sei es, dass der Verkäufer eines Hauses einer Maschine, eines Unternehmens, eines Flohmarktartikels nach einer ersten Prüfung durch einen Interessenten aufgefordert ist zu sagen, „was er denn gern dafür hätte“. Sei es, dass ein Käufer (auf ein unausgesprochenes erstes Angebot wie ein Preisschild oder eine Preisliste) mit einem konkreten Angebot reagiert oder bei einer offenen oder verdeckten Auktion mit einem ersten Angebot überhaupt erst zu erkennen gibt, dass ein konkretes Kaufinteresse besteht.

Wirkung eines ersten Angebotes – Vorteil und Nachteil

Die Wirkung eines ersten Angebotes ist zweigestalt.

Das erste Angebot, gut formuliert und gewählt (siehe dazu mein Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“), verschafft eine gewisse Kontrolle über die Verhandlungssituation. Die Diskussion, wenn sie denn stattfindet, kreist um diese genannte Marke (sog. Ankerpunkt). Damit geht eine auch psychologische Beeinflussung der Verhandlungsparteien einher, die nicht zu unterschätzen ist.

Diesem vermeintlichen Vorteil entgegen wirkt die Preisgabe einer wichtigen Information zu einem vergleichsweise früher Zeitpunkt in der Verhandlung: Das erste Angebot bezeichnet mit großer Sicherheit einen Punkt am Ende oder außerhalb der ZOPA (mögliche Einigungszone: ZOPA = Zone of potential agreement; siehe mein Blog „Grundlagen der Verhandlungstheorie I“). Damit erhält die Partei, die nicht das erste Angebot gemacht hat, einen nicht zu unterschätzenden Informationsvorteil (siehe mein Blog „Informations-Asymmetrien beim Poker nutzen“).

Welche Wirkung überwiegt nun? Die positive oder die negative? Nun, das lässt sich nicht mit Sicherheit und für alle Fälle beantworten. Allerdings: Während sich ein erfahrener Verhandler relativ gut vor der Anker-Wirkung eines ersten Angebotes schützen kann (also der Vorteil leicht verpuffen kann), tritt die nachteilige Wirkung der einseitigen Informationspreisgabe nahezu immer ein. Nicht nur, dass die Partei, die das erste Angebot macht, oft keinen Vorteil erzielt. Die Gegenseite kann oft das erste Angebot zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.

Also nicht nur oft kein Vorteil für den, der das erste Angebot macht, sondern meistens sogar ein handfester Nachteil.

Daher meine Abneigung selbst ein erstes Angebot zu machen und mein Versuch auf ein erstes Angebot der Gegenseite selbst geschickt reagieren zu können!

Eine Konstellation gibt es allerdings, in der es empfehlenswert ist, das erste Angebot selbst zu machen.

Welche dies ist, und welche Regeln für ein erstes Angebot gelten (wenn man es denn machen will oder muss) steht im meinem Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“

Spätes Bieten bei ebay als kluge Strategie

Warum spätes Bieten bei einer ebay-Auktion gut für Sie ist. Und warum ebay es verhindern möchte.

Wie funktioniert ebay?

Bei ebay werden Waren und Dienstleistungen versteigert durch eine Auktion, genau genommen durch eine spezielle Form der Zweitpreisauktion. Denn: Der siegreiche Teilnehmer zahlt das Gebot des Bieters, der am zweitmeisten geboten hat, plus einen Mindesterhöhungsschritt. Hat also ein Bieter 6 € geboten, der Bieter mit dem zweithöchsten Gebot 4,80 €, wird die Auktion zum Preis von 5,30 € beendet (zweithöchstes Gebot 4,80 € + Mindesterhöhungsschritt in diesem Wertbereich 0,50 € = 5,30 €). D.h. der erfolgreiche Bieter gewinnt zu einem Preis unterhalb seines Höchstgebotes.

Wann wird geboten?

Wenn sich ein Nutzer entscheidet an einer Aktion aktiv teilzunehmen, wird er von ebay aufgefordert sein Gebot einzugeben und zu bestätigen. Wird der Bieter mit diesem Gebot nicht Höchstbietender, erhält er eine entsprechende Nachricht „Sie wurden überboten“ und kann / soll sein ursprüngliches Gebot erhöhen. Nach Abgabe eines (zu diesem Zeitpunkt) Höchstgebotes bietet ebay an bzw. fordert den Bieter auf sein Maximalgebot verbindlich abzugeben.

Warum macht ebay das?

Die Vorteile eines zu diesem (frühen) Zeitpunkt abgegebenen Maximalgebotes liegen auf der Hand: Sobald zwei Gebote für diese Auktion vorliegen, steigt der dargestellte Preis an (zweithöchstes Gebot + Mindesterhöhungsschritt oder Höchstgebot, wenn Höchstgebot und zweithöchstes Gebot weniger als einen Mindesterhöhungsschritt auseinander liegen). Damit kommt die Auktion „in Gang“. Weitere Bieter müssen relativ hoch bieten, um überhaupt (zwischenzeitlicher) Höchstbietender zu werden. Tendenziell erreicht die Auktion so einen höheren Abschlusspreis. Und das ist gut für ebay!

Ist es gut für den Bieter?

Nein. Die frühe und damit vorzeitige verbindliche Abgabe des Maximalgebotes erhöht tendenziell den Preis, zu dem die Auktion gewonnen werden kann (s.o.) — und das liegt nicht im Interesse der Bieter. Zudem senkt die vorzeitige Abgabe des Maximalgebotes die Wahrscheinlichkeit für diesen Bieter die Auktion zu gewinnen — und das ist wohl noch schlechter als ein ggf. höherer Preis unterhalb des Maximalgebotes.

Warum senkt die frühzeitige Abgabe des Maximalgebotes die Wahrscheinlichkeit eine Auktion zu gewinnen?

Es entsteht eine Informations-Asymmetrie zu Ungunsten des Bieters, der sein Maximalgebot offenbart hat. Zwar ist das Maximalgebot nicht offen erkennbar, dennoch bietet es anderen Bietern die Chance, sich an dieses Maximalgebot relativ gefahrlos (nämlich in kleinen Schritten) heranzutasten. Die anderen Bieter wissen demnach mehr über das Bietverhalten und die Strategie des „Früh-Bieters“ als dieser über seine Konkurrenten.
Daher empfiehlt es sich möglichst spät zu bieten. So vermeidet ein Bieter die für ihn negative Informations-Asymmetrie und reduziert die Zeitspanne, in der andere Bieter auf sein dann ggf. Höchstgebot reagieren können. Spät zu bieten ist die dominante Strategie bei ebay, wenn der Bieter Zeit und Gelegenheit hat, das unmittelbare Ende der Auktion „live“ zu verfolgen. Und genau deshalb ist es bei ebay so populär — gegen den Willen der Plattformbetreiber.

Warum der Wechsel von van der Vaart zurück zum HSV vorhersehbar war

Die Ausgangslage: HSV mit schwachem Saisonstart in Abstiegsangst

Der HSV, einziges ununterbrochen erstklassiges Bundesliga-Gründungsmitglied, ist im August 2012 miserabel in die 50. Bundesligasaison gestartet. Die Mannschaft und vor allem Trainer Thorsten Fink sowie Sportchef Frank Arnesen stehen massiv in der Kritik. Ihnen werden Versäumnisse und Inkompetenz und noch schlimmer: Naivität bei der Zusammenstellung des Kaders vorgeworfen. Fans und Verantwortliche des HSV sehen sich der ernsten und nicht unwahrscheinlichen Bedrohung des ersten Bundesliga-Abstiegs ihres Vereins gegenüber, mit unübersehbaren Folgen für die Reputation und Wirtschaftskraft des Vereins — und das Selbstverständnis der Verantwortlichen. Guter Rat ist teuer. Die Finanzen des Klubs sind auf das Äußerste angespannt. Mit einem Kraftakt wurden für jeweils (!) 4 Mio. € die Spieler Jiracek und Badelj zu Beginn der Transferperiode verpflichtet, die kurzfristig die Erwartungen an einer Verbesserung der sportlichen Leistung nicht erfüllen.

Unternehmer, Mäzen und HSV-Edelfan Klaus-Michael Kühne bringt zum wiederholten Male eine Idee ins Gespräch: eine Verpflichtung des ehemaligen Stars und Lieblingsspielers Rafael van der Vaart. Der Holländer steht zum damaligen Zeitpunkt bei Tottenham Hotspur aus der ersten englischen Liga unter Vertrag. Kühne verspricht eine mögliche Verpflichtung durch ein großzügiges Darlehen finanziell zu unterstützen, d.h. faktisch überhaupt erst zu ermöglichen. Die Transferperiode endet in vier Tagen.

 

Die Frage: Van der Vaart verpflichten oder nicht?

Wird der Vorstand in dieser sportlich und finanziell prekären Situation einen Spieler verpflichten, von dem nicht sicher ist ob und wie schnell er dem Verein helfen kann, der 2008 durchaus mit unangenehmen Begleiterscheinungen den Verein auf eigenes Bestreben verließ, dessen Verpflichtung die Mitsprache des Großinvestors Kühne zementiert, die finanzielle Situation des Vereins nachhaltig verschlechtert und Trainer wie Sportchef demonstrativ desavouiert?

 

Das Ergebnis: Viel Geld für van der Vaart, das der HSV nicht hat

Nach zähen auch nächtlichen Verhandlungen einigt sich der HSV-Vorstand mit dem Präsidenten der Tottenham Hotspur Daniel Levy auf einen unmittelbaren Wechsel des Fußballers. Dem Vernehmen nach liegen die Konditionen für den Wechsel näher am Mehr-können-und-werden-wir-nicht-bezahlen-Wert des HSV als am Für-weniger-geben-wir-ihn-nicht-her-Wert der Briten (siehe dazu den Blogbeitrag War die Ablösesumme für van der Vaart gut vom HSV verhandelt?)

 

Warum war die Verpflichtung van der Vaarts aus verhandlungs-theoretischer Sicht vorherzusehen?

Entscheidend für die Beurteilung der Vorhersagbarkeit ist die Situation des HSV Vorstands.

Für eine Beschreibung seiner Ausgangslage müssen nur zwei Szenarien beurteilt und miteinander verknüpft werden:

  1. Van der Vaart kaufen? Ja oder Nein?
  2. Ist der HSV am Saisonende 2012/13 abgestiegen? Ja oder Nein?

Ein Abstieg des HSV im Sommer 2013 wäre die größte anzunehmende Katastrophe aus der Sicht des amtierenden Vorstands. Wurde im Sommer 2012 die Chance vertan einen Spieler zu verpflichten, der vielleicht die Mannschaft vor dem Abstieg gerettet hätte, würden Fans und Aufsichtsrat die Schuld dafür dem Vorstand geben, gleichbedeutend mit dem Ende seiner Amtszeit. Wurde der Spieler gekauft, der Abstieg dennoch nicht vermieden, kann der Vorstand für sich in Anspruch nehmen alles, aber auch wirklich alles, versucht zu haben um den Abstieg zu vermeiden.
Hält der Verein die Liga, ohne dass van der Vaart gekauft wurde, wird die einhellige Meinung sein: Glück gehabt.
Hält der Verein die Liga und der Vorstand hat die Verpflichtung vorgenommen, hat er alles richtig gemacht. So einfach ist es!

 

Matrix für

Abstieg

den Vorstand

ja

nein

Kauf nein

-100

±0

ja

-50

+50

Diese sogenannte Pay-Off-Matrix ist aus der Spieltheorie bekannt. Es wird klar ersichtlich, dass „Kauf“ für beide mögliche Ergebnisse „Abstieg“ und „Nicht-Abstieg“ für den Vorstand die bessere Alternative ist.

Deshalb war klar, dass der Vorstand in der gegebenen Konstellation die Verpflichtung von Rafael van der Vaart unbedingt realisieren muss, fast egal zu welchem Preis, zumal Milliardär Kühne weitreichende Zusagen gemacht hat, viel weiter reichend als ihm wohl selbst bewusst war (siehe dazu Blogbeitrag Wann ist genug genug?).