Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?

Wann ist genug genug?

Diese Frage tritt dann in Verhandlungen auf, wenn es um Zugeständnisse geht, und insbesondere dann, wenn es um vermeintlich ungleich finanzstarke Verhandlungspartner geht.

Eine populäre Argumentation der in ihren Augen schwächeren Partei ist: „Sie sind so groß / mächtig / wohlhabend, da kommt es doch auf diesen kleinen Betrag für Sie wirklich nicht an …“. Beispiele gefällig? Aus dem Profi-Fussball: Die Einkaufspolitik von 1899 Hoffenheim (Milliardär Hopp ist Mäzen) oder VfL Wolfsburg unter Trainer und Sportdirektor Magath (der VW-Konzern ist Geldgeber). Ohne dass ich Beweise anführen kann, unterstelle ich, dass die finanzstarke Aufstellung der Vereine es Spielern und Beratern etwas einfacher macht hohe Gehälter und Ablösesummen durchzusetzen. Vereine wie der SC Freiburg oder Mainz 05 können einfacher geringen Spielraum glaubwürdig machen. Beispiele aus der Wirtschaft: Jeder Großkonzern in Verhandlungen mit kleinen (Stamm-)Lieferanten. (Bei Lieferanten, die neu gelistet werden wollen, geht das Spiel anders!)

Wie vermeide ich die „Du bist doch reich“-Falle?

Für die vermeintlich oder tatsächlich Finanzstarken kann es teuer werden, sich in diese argumentative Falle locken zu lassen. Bei der konkreten Verhandlung wird ein schlechteres Ergebnis erzielt — und hat Auswirkungen auf weitere Verhandlungen!

Wie ist es zum Beispiel dem HSV gelungen die Ablösesumme für Rafael van der Vaart sehr im Rahmen zu halten, obwohl a) bekanntermaßen ein Milliardär hinter der geplanten Verpflichtung stand und b) das Engagement öffentlich bekannt war? (siehe Blog „War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?„)

Meine Empfehlungen dafür lauten:

1. Möglichst keine öffentlichen Aussagen zu Rolle, Funktion, Zielen eines finanzkräftigen „Sponsors“: Das schwächt die Verhandlungsposition ganz erheblich.

2. Glaubwürdige Alternativen besitzen und dem Verhandlungspartner deutlich machen: Das begrenzt zumindest den Spielraum für die Strategie auf die hohe Finanzkraft zu verweisen (siehe Blog „Verhandlungsmacht von Stars: Jefferson Farfán und Schalke 04„)

3. Durch (objektive) Regeln die Einigung bestimmen lassen: vergleichbare Einigungen, neutrale Wertermittlung oder andere Verfahren, auf die sich die Verhandlungsparteien einigen können. Das Objektivieren nimmt den Fokus von der Finanzkraft.

4. Glaubwürdig den Zugang zu den gern als nahezu unerschöpflich dargestellten Ressourcen begrenzen: Budgets, Vorstandsentscheidungen, Sachzwänge GLAUBWÜRDIG als begrenzenden Faktor inszenieren. Dazu muss vor einer Verhandlung ggf. mit genau diesem Zweck Vorarbeit geleistet werden. D.h. die finanzstarke Partei muss sich quasi selbst Fesseln anlegen. Nur dann ist ein „My hands are tight.“ glaubwürdig genug.

5. Objektiv keine Möglichkeit während der heißen Phase einer Verhandlung „nachzulegen“ oder Rücksprache zu halten. Dabei helfen: Zeitdruck, räumliche Trennung, problematische Tages- oder Wochenzeit (Wochenende, nachts: „da erreiche ich jetzt niemanden …“)

Da der HSV bei Punkt 1. und 2. eher Fehler gemacht hat in der Verhandlungsvorbereitung, Punkt 3. ungeeignet war, wurde sehr erfolgreich über Punkt 4. und 5. die Verhandlung zu Gunsten des HSV gestaltet.

Verhandlungsmacht von Stars: Jefferson Farfan und Schalke 04 in der Saison 2011/12

Ausgangssituation

Jefferson Farfán ist erfolgreicher Stürmer bei Schalke 04; durch seine Leistungen hat der Club die Champions League der Saison 2011/12 erreicht.
Sein Gehalt beträgt 2,7 Mio.€ pro Jahr; der Vertrag läuft im Sommer 2012 aus.
In der Winterpause 2011/12 beginnen Gespräche über einen neuen Vertrag.
Der Verein bietet eine deutliche Gehaltssteigerung (auf 6 Mio.€ p.a.) und eine Laufzeit von zwei Jahren.
Der Spieler fordert 6 Mio.€ p.a. plus 14 Mio.€ für die Vertragsunterschrift – und droht mit dem ablösefreien Weggang im Sommer 2012.

Problematik

Der Verein befindet sich in einer Zwickmühle. Er droht einen sehr leistungsstarken und beim Publikum beliebten Spieler zu verlieren ohne eine Ablösesumme zu bekommen ODER der Verein muss eine schmerzhaft mehr für den Verbleib des Spielers zahlen (aufgerufen sind unverhandelte 26 Mio. € für zwei Jahre!). Durch die dauerhaft wirklich starken Leistungen des Spielers wäre ein Verlust des Spielers nur schwer zu vermitteln, andererseits würden die geforderten Konditionen den Verein stark belasten und die Stabilität des gesamten Gehaltsgefüges der Profimannschaft gefährden.

Der Spieler verfügt über eine große Verhandlungsmacht, das BATNA des Vereins ist erkennbar schwach.

Lösung

Das kluge Verhalten des Vereins ist ein gutes Beispiel für: Was tun bei einem (wirklich und erkennbar) schwachen BATNA?

Die Verantwortlichen von Schalke 04 griffen zu einer geschickten Lösung. Nachdem ernst gemeinte und wohlwollende Verhandlungsgespräche durch die hohe Forderung von Spieler und Berater nicht zum gewünschten Erfolg führten, wurden Ende Januar 2012 weitere Gespräche zunächst ausgesetzt.

In der Zwischenzeit wurde ein anderer Spieler fest unter Vertrag genommen. Der auf der gleichen Position spielende und bisher schon von seinem bisherigen Verein 1899 Hoffenheim ausgeliehene Obasi. Für diese Verpflichtung wurden 5 Mio. € bezahlt.

An diese Verpflichtung schlossen sich erneute Verhandlungen mit Farfán an, die relativ schnell in den erfolgreichen Abschluss eines 4-Jahres-Vertrages mündeten.

Es ist leider nicht bekannt, zu welchen Konditionen (Gehalt, Signing Fee für Vertragsunterschrift) die Vertragsverlängerung erzielt wurde. Die Vermutung sei erlaubt, dass diese zu deutlich besseren Konditionen möglich war als vom Spieler ursprünglich gefordert. D.h. die aus mehrfacher Hinsicht sinnvolle Verpflichtung eines positionsgleichen Ersatzspielers hat ihre Kosten wohl bereits wieder eingespielt.

Dieses Beispiel möge den Wert einer glaubwürdigen Alternative zur dokumentierten Verbesserung eines schwachen BATNA verdeutlichen.

Glaubwürdige Alternativen zu besitzen und den Verhandlungspartner von ihrer Existenz zu überzeugen sind oft entscheidende  Faktoren, um eine Verhandlung zu eigenen Gunsten zu beeinflussen.