War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?

Ausgangslage

Im August 2012 verpflichtet der HSV seinen ehemaligen Spieler Rafael van der Vaart erneut (siehe Blog „Warum der Wechsel von van der Vaart zurück zum HSV vorhersehbar war“).

In diesem Blog-Beitrag möchte ich mich der Frage widmen, ob die Summe, die letztlich als Transfersumme genannt wurde, aus meiner Sicht gut verhandelt war. Dies ist insbesondere auch deshalb spannend, weil es auch für den Verkäufer ein Leichtes gewesen wäre herauszufinden, dass den Spieler zu kaufen für die Verantwortlichen des HSV eine dominante Strategie darstellte. Die Verhandlungsposition des Verkäufers hätte also als relativ stark eingeschätzt werden können. Dies um so mehr als ein international bekannter Mäzen und Milliardär den Kauf forcierte (siehe Blog „Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?“) (Dass dieser Fakt bekannt ist schwächt die Verhandlungsposition des Käufers (HSV) erheblich!).

Hat sich diese schwierige Konstellation in einem (zu) hohen Kaufpreis niedergeschlagen?

Zusammenfassung des Verlaufs der Verhandlung

Der HSV kommuniziert nach dem Kauf von bereits zwei anderen Spielern für jeweils 4 Mio. € Ablösesumme der Presse sinngemäß „Wir haben kein Geld (mehr) für (noch mehr) neue Spieler.“

Tottenham Hotspur, der Verein, bei dem van der Vaart unter Vertrag steht, fordert zunächst 18 Mio. € Ablösesumme. Nach einem Gespräch des van der Vaart-Beraters mit der Vereinsführung wird diese Summe auf 16 Mio. € abgesenkt (d.h. der Spieler signalisiert dadurch sein Interesse an einem Wechsel). Dies ist die Forderung mit der der Verkäufer in die entscheidende Verhandlungsrunde geht.

Die Antwort des HSV: „Maximal 12 Mio. €, nur möglich durch die Unterstützung von Herrn Kühne.“

Es ist Mittwoch, der 29. August 2012. Am Freitag um 12.00 Uhr endet die Transferperiode.

Am Mittwoch um Mitternacht werden die (telefonischen) Verhandlungen abgebrochen: „Keine Einigung möglich“

In der Nacht zu Donnerstag um 2 Uhr ruft der englische Verein noch einmal auf der HSV-Geschäftsstelle an, wo ein Teil des Vorstands heute nächtigt.

Um 3.30 Uhr gibt es eine Einigung: 13 Mio. €.

Bewertung des Verhandlungsergebnisses

Die Summe von 13 Mio. € liegt näher an der HSV-Grenze (12 Mio. €) als an der letzten Forderung des Verkäufers (16 Mio. €). Das deutet darauf hin, dass

  • der HSV seine Zahlungsgrenze von 12 Mio. € glaubwürdig untermauert hat
  • die Bereitschaft des HSV die Verhandlungen um Mitternacht ergebnislos abzubrechen Eindruck gemacht hat
  • die Bereitschaft bzw. der Druck den Spieler zu verkaufen auf Seiten des Verkäufers doch relativ groß war (immerhin wären noch ca. 24 weitere Stunden „Zeit“ gewesen)

(Es gibt Gerüchte einer direkten Einflussnahme von Sylvie van der Vaart bei Kühne (HSV, Käufer) oder Levy (Präsident Tottenham, Verkäufer) oder sogar beiden (!) um einen Wechsel zurück nach Hamburg zu ermöglichen)

Dessen ungeachtet kann der HSV zum Verhandlungsergebnis nur beglückwünscht werden.

Verhandlungsmacht von Stars: Jefferson Farfan und Schalke 04 in der Saison 2011/12

Ausgangssituation

Jefferson Farfán ist erfolgreicher Stürmer bei Schalke 04; durch seine Leistungen hat der Club die Champions League der Saison 2011/12 erreicht.
Sein Gehalt beträgt 2,7 Mio.€ pro Jahr; der Vertrag läuft im Sommer 2012 aus.
In der Winterpause 2011/12 beginnen Gespräche über einen neuen Vertrag.
Der Verein bietet eine deutliche Gehaltssteigerung (auf 6 Mio.€ p.a.) und eine Laufzeit von zwei Jahren.
Der Spieler fordert 6 Mio.€ p.a. plus 14 Mio.€ für die Vertragsunterschrift – und droht mit dem ablösefreien Weggang im Sommer 2012.

Problematik

Der Verein befindet sich in einer Zwickmühle. Er droht einen sehr leistungsstarken und beim Publikum beliebten Spieler zu verlieren ohne eine Ablösesumme zu bekommen ODER der Verein muss eine schmerzhaft mehr für den Verbleib des Spielers zahlen (aufgerufen sind unverhandelte 26 Mio. € für zwei Jahre!). Durch die dauerhaft wirklich starken Leistungen des Spielers wäre ein Verlust des Spielers nur schwer zu vermitteln, andererseits würden die geforderten Konditionen den Verein stark belasten und die Stabilität des gesamten Gehaltsgefüges der Profimannschaft gefährden.

Der Spieler verfügt über eine große Verhandlungsmacht, das BATNA des Vereins ist erkennbar schwach.

Lösung

Das kluge Verhalten des Vereins ist ein gutes Beispiel für: Was tun bei einem (wirklich und erkennbar) schwachen BATNA?

Die Verantwortlichen von Schalke 04 griffen zu einer geschickten Lösung. Nachdem ernst gemeinte und wohlwollende Verhandlungsgespräche durch die hohe Forderung von Spieler und Berater nicht zum gewünschten Erfolg führten, wurden Ende Januar 2012 weitere Gespräche zunächst ausgesetzt.

In der Zwischenzeit wurde ein anderer Spieler fest unter Vertrag genommen. Der auf der gleichen Position spielende und bisher schon von seinem bisherigen Verein 1899 Hoffenheim ausgeliehene Obasi. Für diese Verpflichtung wurden 5 Mio. € bezahlt.

An diese Verpflichtung schlossen sich erneute Verhandlungen mit Farfán an, die relativ schnell in den erfolgreichen Abschluss eines 4-Jahres-Vertrages mündeten.

Es ist leider nicht bekannt, zu welchen Konditionen (Gehalt, Signing Fee für Vertragsunterschrift) die Vertragsverlängerung erzielt wurde. Die Vermutung sei erlaubt, dass diese zu deutlich besseren Konditionen möglich war als vom Spieler ursprünglich gefordert. D.h. die aus mehrfacher Hinsicht sinnvolle Verpflichtung eines positionsgleichen Ersatzspielers hat ihre Kosten wohl bereits wieder eingespielt.

Dieses Beispiel möge den Wert einer glaubwürdigen Alternative zur dokumentierten Verbesserung eines schwachen BATNA verdeutlichen.

Glaubwürdige Alternativen zu besitzen und den Verhandlungspartner von ihrer Existenz zu überzeugen sind oft entscheidende  Faktoren, um eine Verhandlung zu eigenen Gunsten zu beeinflussen.

Grundlagen der Verhandlungstheorie II – Warum der Minimalwert in einer Verhandlung oberhalb des BATNA liegen sollte

Minimalwert und BATNA

Der Minimalwert als Attribut einer Verhandlungssituation bezieht sich auf eine konkrete, spezifische Verhandlungssituation z.B. des Verkäufers mit einem speziellen potenziellen Käufer. In dieser Verhandlungssituation hat der Verkäufer einen Minimalwert dort, wo er einem Angebot des potenziellen Käufers gerade noch zustimmen würde (Beispiel Hausverkauf: Der Preis zu dem der Verkäufer in dieser Verhandlung mit diesem Käufer gerade noch einem Verkauf zustimmt). Der Minimalwert kann also von Verhandlungssituation zu Verhandlungssituation variieren, z.B. weil der Verkäufer die Angebote der potenziellen Käufer unterschiedlich einschätzt oder weil der Verkäufer von Verhandlung zu Verhandlung hinzulernt (Beispiel Hausverkauf: Unterschiedliche Vertrauenswürdigkeit, Sympathie, Zahlungskonditionen, aber auch ggf. geringer werdender Minimalpreis nach einer Folge nicht erfolgreicher Gespräche).

Das BATNA des Verkäufers bezieht sich auf die gesamte Verkaufs-Konstellation und nicht nur auf einen einzelnen Interessenten, ist also über die einzelnen Verhandlungen meistens stabil (es sei denn, in den Verhandlungen erhält der Verkäufer Informationen, die sein BATNA verändern). Ein BATNA kann von derselben Art sein wie mögliche Angebote potenzieller Käufer (z.B. ein bereits vorliegendes Kaufangebot), es kann auch von ganz anderem Charakter sein (z.B. die weitere eigene Nutzung des zum Verkauf stehenden Hauses). 

Warum liegt für einen Verkäufer der Minimalwert in der Regel oberhalb des BATNA?

Nun, zunächst einmal kann der Minimalwert (für einen Verkäufer) nicht unterhalb des BATNA liegen, denn dann gäbe es eine bessere Alternative. Also entweder ist das BATNA dann nicht realistisch oder diesem Angebot stimmt der Verkäufer nicht zu (das ist aber gerade die Definition des Minimalwertes).

Warum aber liegt der Minimalwert höher als das BATNA und nicht genau darauf?

Die Annahme eines Angebotes am Minimalwert beendet die Verhandlung. Das bedeutet, dass ein besserer Abschluss als zum Minimalwert fortan ausgeschlossen ist. Das ist sicher. Eventuell ließe sich jedoch das BATNA noch verbessern, z.B. das BATNA-Angebot eines Kaufinteressenten nachverhandeln. D.h. dass das BATNA wirklich so niedrig ist wie zum gegebenen Zeitpunkt (hier: Annahme eines Angebot am Minimalwert) eingeschätzt, ist unsicher.

Der Minimalwert sollte also in dem Maß über dem BATNA liegen, wie es eine mögliche Verbesserung des BATNA und der Verzicht auf mögliche bessere Angebote in weiteren Gesprächen (durch die Beendigung zum Minimalwert) definieren.
Und: Während das BATNA durch äußere Umstände bestimmt wird (die vom Verhandler interpetiert werden), kann der Minimalwert in jeder Verhandlung (und währenddessen) bewusst festgelegt werden.

Kurz gesagt: Der Minimalwert ist sicher und absolut, das BATNA ist unsicher und relativ.

Für gute Verhandler heißt das: Eine Zustimmung zu einem Angebot auf dem Niveau des BATNA ist meistens nicht optimal. Die Erfahrung zeigt, dass in frühen Verhandlungsrunden einem Angebot zum Minimalwert meistens nicht zugestimmt werden sollte und der Minimalwert mit der Zeit leicht sinken darf (damit er nicht schon zu Beginn zu niedrig ist!).

Grundlagen der Verhandlungstheorie I – Glossar der am häufigsten genutzten Begriffe

Die Beschäftigung mit einem Thema erfordert oft die Verwendung klar definierter Fachbegriffe.

Die von mir verwendeten Fachbegriffe möchte ich hier erläutern um eine größere Verständlichkeit und Anwendbarkeit meiner Beiträge zu ermöglichen:

 

Optimalwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, auf das Sie hoffen, das Ihre Wunschvorstellung trifft, das Sie erzielen, wenn die Verhandlung für Sie optimal läuft.

 

Zielwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, das Sie sich (realistischerweise) zum Ziel setzen. Wird dieser Wert in der Verhandlung als Angebot der anderen Seite erreicht, ist mit einer Zustimmung zu rechnen.

 

Minimalwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, zu dem Sie gerade noch zustimmen. Bleiben die Angebote der Gegenseite unter diesem Wert, ist mit keiner Einigung zu rechnen. Deshalb wird dieser Wert auch Walk-away-Punkt genannt.

 

BATNA

Akronym für Best Alternative To Negotiated Agreement, also Ihre beste Alternative, falls es zu keiner Verhandlungslösung kommt. Diese Alternative kann ich einem Verzicht (z.B. auf einen Verkauf und einer weiteren Nutzung) oder in einem Angebot einer anderen Verhandlungspartei bestehen.

 

ZOPA

Akronym für Zone Of Potential Agreement, also Zone der möglichen Einigung. Dieser Bereich wird in der Regel durch die jeweiligen Minimalwerte der beiden Verhandlungsparteien definiert. Beispiel: Der Verkäufer eines Hauses möchte mindestens 200.000 € erzielen; der potenzielle Käufer maximal 250.000 € bezahlen. Die ZOPA umfasst dann den Bereich 200.000 € – 250.000 € und ist 50.000 € groß.

Spannend ist dann die Lage der Einigung innerhalb der ZOPA. Hier sind Einfallsreichtum, glaubwürdige Alternativen und Verhandlungsgeschick gefragt.

Die Größe der ZOPA kann auch Null sein. Die ist dann der Fall, wenn sich die Minimalwerte der beiden Verhandlungsparteien nicht überschneiden. Dann wird es in der Regel nicht zu einer Verhandlungslösung kommen.