Grundlagen der Verhandlungstheorie I – Glossar der am häufigsten genutzten Begriffe

Die Beschäftigung mit einem Thema erfordert oft die Verwendung klar definierter Fachbegriffe.

Die von mir verwendeten Fachbegriffe möchte ich hier erläutern um eine größere Verständlichkeit und Anwendbarkeit meiner Beiträge zu ermöglichen:

 

Optimalwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, auf das Sie hoffen, das Ihre Wunschvorstellung trifft, das Sie erzielen, wenn die Verhandlung für Sie optimal läuft.

 

Zielwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, das Sie sich (realistischerweise) zum Ziel setzen. Wird dieser Wert in der Verhandlung als Angebot der anderen Seite erreicht, ist mit einer Zustimmung zu rechnen.

 

Minimalwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, zu dem Sie gerade noch zustimmen. Bleiben die Angebote der Gegenseite unter diesem Wert, ist mit keiner Einigung zu rechnen. Deshalb wird dieser Wert auch Walk-away-Punkt genannt.

 

BATNA

Akronym für Best Alternative To Negotiated Agreement, also Ihre beste Alternative, falls es zu keiner Verhandlungslösung kommt. Diese Alternative kann ich einem Verzicht (z.B. auf einen Verkauf und einer weiteren Nutzung) oder in einem Angebot einer anderen Verhandlungspartei bestehen.

 

ZOPA

Akronym für Zone Of Potential Agreement, also Zone der möglichen Einigung. Dieser Bereich wird in der Regel durch die jeweiligen Minimalwerte der beiden Verhandlungsparteien definiert. Beispiel: Der Verkäufer eines Hauses möchte mindestens 200.000 € erzielen; der potenzielle Käufer maximal 250.000 € bezahlen. Die ZOPA umfasst dann den Bereich 200.000 € – 250.000 € und ist 50.000 € groß.

Spannend ist dann die Lage der Einigung innerhalb der ZOPA. Hier sind Einfallsreichtum, glaubwürdige Alternativen und Verhandlungsgeschick gefragt.

Die Größe der ZOPA kann auch Null sein. Die ist dann der Fall, wenn sich die Minimalwerte der beiden Verhandlungsparteien nicht überschneiden. Dann wird es in der Regel nicht zu einer Verhandlungslösung kommen.

„Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“

 Die Regeln für die Höhe eines ersten Angebotes leiten sich daraus ab die zwei Hauptrisiken zu vermeiden (abgesehen vom Risiko der Informationspreisgabe überhaupt durch ein erstes Angebot, siehe Blogbeitrag „Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“).

Risiko 1 – zu niedrig

Das erste (und gravierendere) Risiko ist ein zu niedriges Angebot zu formulieren.

Damit wird, noch ohne Not, ein Teil der ZOPA (mögliche Einigungszone) preisgegeben. Das Risiko ist dann besonders groß, wenn die ZOPA der Partei, die das erste Angebot macht, gar nicht genau bekannt ist (was eher die Regel als die Ausnahme ist!).

Risiko 2 – zu hoch

Das zweite Risiko ist, dass das Angebot (viel) zu hoch ist und negative Konsequenzen für die Verhandlungssituation hat.

Regeln für ein erstes Angebot

  1. gesamte ZOPA erhalten (also Angebot jenseits des Minimalwertes der Gegenpartei, der dazu allerdings gut eingeschätzt werden muss!)
  2. Begründung liefern (können) (Eine unaufgefordert unmittelbar nach dem ersten Angebot mitgelieferte Begründung schwächt das Angebot unnötig ab und bietet Angriffspunkte für die Gegenpartei)
  3. Angemessene Aggressivität (so hoch bzw. niedrig, wie sie gerade noch begründen bzw. rechtfertigen können)

Die Schwierigkeit ein erstes Angebot wirklich gut zu machen, trägt mit zu meiner Abneigung bei selbst ein erstes Angebot zu machen.

Wann ein erstes Angebot machen?

Wenn allerdings die ZOPA und der Minimalwert der Gegenseite gut eingeschätzt werden können, dann, und nur dann, überlagert der Vorteil den Nachteil ein erstes Angebot zu machen.

„Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“

Ich bin kein Freund davon ein erstes Angebot in einer Verhandlung zu machen. Manchmal lässt es sich allerdings beim besten Willen nicht umgehen. Früher habe ich versucht unter allen Umständen zu vermeiden, dass ich derjenige bin, der das erste Angebot unterbreitet. Heute gibt es Situationen, in denen ich bereitwillig ein erstes Angebot mache.

Ich will gern erläutern, warum ich zu dieser Überzeugung gelangt bin.

 Verhandlungssituation für ein erstes Angebot

Nach dem Austausch erster Freundlichkeiten zu Beginn einer Verhandlung oder bereits intensiver Erörterung der Fakten und Ausgangslage: Irgendwann kommt der Moment, in dem eine der beiden Verhandlungsparteien ein erstes Angebot macht.

Sei es, dass der Verkäufer eines Hauses einer Maschine, eines Unternehmens, eines Flohmarktartikels nach einer ersten Prüfung durch einen Interessenten aufgefordert ist zu sagen, „was er denn gern dafür hätte“. Sei es, dass ein Käufer (auf ein unausgesprochenes erstes Angebot wie ein Preisschild oder eine Preisliste) mit einem konkreten Angebot reagiert oder bei einer offenen oder verdeckten Auktion mit einem ersten Angebot überhaupt erst zu erkennen gibt, dass ein konkretes Kaufinteresse besteht.

Wirkung eines ersten Angebotes – Vorteil und Nachteil

Die Wirkung eines ersten Angebotes ist zweigestalt.

Das erste Angebot, gut formuliert und gewählt (siehe dazu mein Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“), verschafft eine gewisse Kontrolle über die Verhandlungssituation. Die Diskussion, wenn sie denn stattfindet, kreist um diese genannte Marke (sog. Ankerpunkt). Damit geht eine auch psychologische Beeinflussung der Verhandlungsparteien einher, die nicht zu unterschätzen ist.

Diesem vermeintlichen Vorteil entgegen wirkt die Preisgabe einer wichtigen Information zu einem vergleichsweise früher Zeitpunkt in der Verhandlung: Das erste Angebot bezeichnet mit großer Sicherheit einen Punkt am Ende oder außerhalb der ZOPA (mögliche Einigungszone: ZOPA = Zone of potential agreement; siehe mein Blog „Grundlagen der Verhandlungstheorie I“). Damit erhält die Partei, die nicht das erste Angebot gemacht hat, einen nicht zu unterschätzenden Informationsvorteil (siehe mein Blog „Informations-Asymmetrien beim Poker nutzen“).

Welche Wirkung überwiegt nun? Die positive oder die negative? Nun, das lässt sich nicht mit Sicherheit und für alle Fälle beantworten. Allerdings: Während sich ein erfahrener Verhandler relativ gut vor der Anker-Wirkung eines ersten Angebotes schützen kann (also der Vorteil leicht verpuffen kann), tritt die nachteilige Wirkung der einseitigen Informationspreisgabe nahezu immer ein. Nicht nur, dass die Partei, die das erste Angebot macht, oft keinen Vorteil erzielt. Die Gegenseite kann oft das erste Angebot zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.

Also nicht nur oft kein Vorteil für den, der das erste Angebot macht, sondern meistens sogar ein handfester Nachteil.

Daher meine Abneigung selbst ein erstes Angebot zu machen und mein Versuch auf ein erstes Angebot der Gegenseite selbst geschickt reagieren zu können!

Eine Konstellation gibt es allerdings, in der es empfehlenswert ist, das erste Angebot selbst zu machen.

Welche dies ist, und welche Regeln für ein erstes Angebot gelten (wenn man es denn machen will oder muss) steht im meinem Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“