Informations-Asymmetrien beim Poker nutzen

Texas hold’em

Texas Hold’em ist in den letzten Jahren zu einer weit verbreiteten und populären Spielart des Poker geworden und auch außerhalb der USA bekannt.

Die Faszination und Besonderheit dieser Spielvariante liegt darin, dass die Spieler (nur) über zwei eigene Spielkarten (hole cards) verfügen und mit bis zu fünf öffentlichen, allen Spielern zur Verfügung stehenden Karten (community cards) ihre bestmögliche Hand bilden.

Damit verfügen Mitspieler (und Zuschauer) über deutlich mehr Informationen über die jeweiligen Hände als in den meisten anderen Poker-Varianten.

In den verschiedenen (bis zu vier) Bietrunden beim Poker entscheiden die Spieler nach einer vorgegebenen, von Spiel zu Spiel wechselnden Reihenfolge, über ihre Einsätze: Setzen eines Einsatzes (bet) (wenn in der betreffenden Bietrunde noch kein vorheriger Spieler gesetzt hat), Mitsetzen (call) (eines durch einen vorherigen Spieler gesetzten Einsatzes), Erhöhen (raise) (eines durch einen vorherigen Spieler gesetzten Einsatzes) oder Halten (check) (kein Einsatz und trotzdem verbunden mit dem Verbleib im Spiel, nur möglich, wenn kein vorheriger Spieler gesetzt hat), Passen (fold) (kein Mitgehen mit einem Einsatz eines vorherigen Spielers).

Was hat Texas hold’em mit Verhandeln zu tun?

Die Verbindung von erfolgreichem Texas hold’em-Spiel zum erfolgreichen Verhandeln ist der nutzbringende Umgang mit durch die Gegenseite (freiwillig oder unfreiwillig) preis gegebenen Informationen. Wer es versteht diese Informationen geschickt zu nutzen, wird erfolgreicher sein.

Wie lassen sich ungleich verteilte Informationen (= Informations-Asymmetrien) nutzen?

Das Bietverhalten der Pokerspieler lässt Rückschlüsse zu darauf, wie hoch sie ihre Gewinnchancen einschätzen. Mit ihrem Bietverhalten geben sie Informationen preis. Die Poker-Spielregeln bestimmen, dass die Spieler zu dieser Informations-Preisgabe nach einer bestimmten Reihenfolge aufgefordert sind. D.h. die Spieler, die in diesem Spiel sich erst später, idealerweise als letzte in jeder Bietrunde, erklären müssen, haben einen großen Vorteil. Diese Spieler haben Informationen aus dem Verhalten aller Spieler, die sich vor ihnen erklären mussten ohne selbst eine entsprechende Information preisgegeben zu haben. Diese Situation ist vergleichbar mit der Konstellation welche Partei ein erstes Angebot macht (siehe Blogs „Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“ und „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“)

Gewinn aus der Informations-Asymmetrie

Eine einfache, aber ungemein erfolgreiche Anwendung dieses Phänomens ist: Setzen, wenn alle noch verbliebenen Spieler, idealerweise nur einer oder zwei, nur gecheckt haben und idealerweise kein Spieler in dieser Bietrunde hinter Ihnen sitzt (nahezu egal über welches Blatt Sie verfügen!). Mit erfahrungsgemäß ausreichend großer Wahrscheinlichkeit passen die neben Ihnen verbliebenen Spieler. Setzen Sie z.B. knapp weniger als die halbe im „Pot“ befindliche Summe, reicht es, wenn in der Hälfte der Fälle die übrigen Mitspieler passen (erfahrungsgemäß tun sie dies noch häufiger!), damit Sie mit dieser Biet-Strategie Gewinn machen. Diese Strategie führt sogar dann zum Erfolg, wenn Sie die Spiele in denen ein Mitspieler doch mit Ihrem Einsatz mitgeht ausnahmslos verlieren (was statistisch nicht zu erwarten ist!). (Sollten mehr als zwei weitere Spieler noch beteiligt sein und noch Spieler in der Bietrunde hinter Ihnen sitzen, sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass doch einer der vor Ihnen sitzenden Spieler ein gutes Blatt hat, steigt und Spieler nach Ihnen haben größere Vorteile aus der Informations-Asymmetrie als Sie selbst in dieser Spielsituation! Also Vorsicht.)

Disclaimer:
Aus nahe liegenden Gründen kann ich keine Garantie für einen Erfolg dieser Strategie übernehmen. Sie soll lediglich die Bedeutung von Informations-Asymmetrien in Verhandlungssituationen verdeutlichen. Sollten Sie es dennoch „live“ ausprobieren wollen: Viel Erfolg!

„Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“

 Die Regeln für die Höhe eines ersten Angebotes leiten sich daraus ab die zwei Hauptrisiken zu vermeiden (abgesehen vom Risiko der Informationspreisgabe überhaupt durch ein erstes Angebot, siehe Blogbeitrag „Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“).

Risiko 1 – zu niedrig

Das erste (und gravierendere) Risiko ist ein zu niedriges Angebot zu formulieren.

Damit wird, noch ohne Not, ein Teil der ZOPA (mögliche Einigungszone) preisgegeben. Das Risiko ist dann besonders groß, wenn die ZOPA der Partei, die das erste Angebot macht, gar nicht genau bekannt ist (was eher die Regel als die Ausnahme ist!).

Risiko 2 – zu hoch

Das zweite Risiko ist, dass das Angebot (viel) zu hoch ist und negative Konsequenzen für die Verhandlungssituation hat.

Regeln für ein erstes Angebot

  1. gesamte ZOPA erhalten (also Angebot jenseits des Minimalwertes der Gegenpartei, der dazu allerdings gut eingeschätzt werden muss!)
  2. Begründung liefern (können) (Eine unaufgefordert unmittelbar nach dem ersten Angebot mitgelieferte Begründung schwächt das Angebot unnötig ab und bietet Angriffspunkte für die Gegenpartei)
  3. Angemessene Aggressivität (so hoch bzw. niedrig, wie sie gerade noch begründen bzw. rechtfertigen können)

Die Schwierigkeit ein erstes Angebot wirklich gut zu machen, trägt mit zu meiner Abneigung bei selbst ein erstes Angebot zu machen.

Wann ein erstes Angebot machen?

Wenn allerdings die ZOPA und der Minimalwert der Gegenseite gut eingeschätzt werden können, dann, und nur dann, überlagert der Vorteil den Nachteil ein erstes Angebot zu machen.

„Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“

Ich bin kein Freund davon ein erstes Angebot in einer Verhandlung zu machen. Manchmal lässt es sich allerdings beim besten Willen nicht umgehen. Früher habe ich versucht unter allen Umständen zu vermeiden, dass ich derjenige bin, der das erste Angebot unterbreitet. Heute gibt es Situationen, in denen ich bereitwillig ein erstes Angebot mache.

Ich will gern erläutern, warum ich zu dieser Überzeugung gelangt bin.

 Verhandlungssituation für ein erstes Angebot

Nach dem Austausch erster Freundlichkeiten zu Beginn einer Verhandlung oder bereits intensiver Erörterung der Fakten und Ausgangslage: Irgendwann kommt der Moment, in dem eine der beiden Verhandlungsparteien ein erstes Angebot macht.

Sei es, dass der Verkäufer eines Hauses einer Maschine, eines Unternehmens, eines Flohmarktartikels nach einer ersten Prüfung durch einen Interessenten aufgefordert ist zu sagen, „was er denn gern dafür hätte“. Sei es, dass ein Käufer (auf ein unausgesprochenes erstes Angebot wie ein Preisschild oder eine Preisliste) mit einem konkreten Angebot reagiert oder bei einer offenen oder verdeckten Auktion mit einem ersten Angebot überhaupt erst zu erkennen gibt, dass ein konkretes Kaufinteresse besteht.

Wirkung eines ersten Angebotes – Vorteil und Nachteil

Die Wirkung eines ersten Angebotes ist zweigestalt.

Das erste Angebot, gut formuliert und gewählt (siehe dazu mein Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“), verschafft eine gewisse Kontrolle über die Verhandlungssituation. Die Diskussion, wenn sie denn stattfindet, kreist um diese genannte Marke (sog. Ankerpunkt). Damit geht eine auch psychologische Beeinflussung der Verhandlungsparteien einher, die nicht zu unterschätzen ist.

Diesem vermeintlichen Vorteil entgegen wirkt die Preisgabe einer wichtigen Information zu einem vergleichsweise früher Zeitpunkt in der Verhandlung: Das erste Angebot bezeichnet mit großer Sicherheit einen Punkt am Ende oder außerhalb der ZOPA (mögliche Einigungszone: ZOPA = Zone of potential agreement; siehe mein Blog „Grundlagen der Verhandlungstheorie I“). Damit erhält die Partei, die nicht das erste Angebot gemacht hat, einen nicht zu unterschätzenden Informationsvorteil (siehe mein Blog „Informations-Asymmetrien beim Poker nutzen“).

Welche Wirkung überwiegt nun? Die positive oder die negative? Nun, das lässt sich nicht mit Sicherheit und für alle Fälle beantworten. Allerdings: Während sich ein erfahrener Verhandler relativ gut vor der Anker-Wirkung eines ersten Angebotes schützen kann (also der Vorteil leicht verpuffen kann), tritt die nachteilige Wirkung der einseitigen Informationspreisgabe nahezu immer ein. Nicht nur, dass die Partei, die das erste Angebot macht, oft keinen Vorteil erzielt. Die Gegenseite kann oft das erste Angebot zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.

Also nicht nur oft kein Vorteil für den, der das erste Angebot macht, sondern meistens sogar ein handfester Nachteil.

Daher meine Abneigung selbst ein erstes Angebot zu machen und mein Versuch auf ein erstes Angebot der Gegenseite selbst geschickt reagieren zu können!

Eine Konstellation gibt es allerdings, in der es empfehlenswert ist, das erste Angebot selbst zu machen.

Welche dies ist, und welche Regeln für ein erstes Angebot gelten (wenn man es denn machen will oder muss) steht im meinem Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“