„Entweder … oder …“ — und was noch?

 Entweder … oder …

Die „Entweder … oder …“-Dualität ist ein häufig anzutreffendes Phänomen. Die daraus resultierende Beschränkung wirkt oft als (selbst gestellte) Falle in Verhandlungen.

Denn es gibt in den meisten Fällen mehr als nur (diese) zwei Optionen!

Mehr Optionen ggf. eine komplexere Struktur, das sind Bedingungen, die beiden Verhandlungspartnern dabei helfen könne, zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Mehr Optionen helfen ggf. auch dabei sich von einer eindimensionalen Verhandlung (z.B. nur Preis) zu lösen.

Beispiele für eindimensionale Entscheidungs-Situationen:
1) Urlaub am Meer oder in den Bergen
2) Einstellen von Bewerber A oder B
3) Kauf von Maschine X oder Y 

Klassische Erweiterung: „Sowohl … als auch …“ und „Weder … noch …“

Die klassische Auflösung des „entweder … oder …“-Dilemmas besteht darin sowohl Bedingung einer positiven Entscheidung (für eine Option) als auch die Ausschließlichkeit (eine Option nur ohne die andere) als Annahme aufzuheben.

Die beiden gewonnenen Varianten „Sowohl … als auch …“ und „Weder … noch …“ schaffen sprachlich und inhaltlich einen deutlich vergrößerten Entscheidungsraum — und erhalten zudem die ursprünglichen Optionen.

Für unsere Beispiele könnte das z.B. bedeuten:
1)      Meer und Berge z.B. auf einer bergigen Insel wie Korsika; weder Meer noch Berge, also z.B. eine Städtereise
2)      Bewerber A und B einstellen, vielleicht weil beide wertvoll für das Unternehmen sind oder einer der beiden an anderer Stelle im Unternehmen eingesetzt werden kann; weder A noch B einzustellen, z.B. um weiter zu suchen und schließlich Bewerber C einzustellen
3)      Beide Maschinen kaufen — oder keine von diesen sondern eine Maschine Z.

Selbst für scheinbar widersprüchliche Optionen wie „Sowohl kaufen als auch nicht kaufen“ ergeben sich manchmal kreative Ansätze; hier: „Leasing“.

 

Unkonventionelle Erweiterung: „Nichts von alledem!“

„Nichts von alledem!“ bedeutet keine der mittlerweile vier Lösungsoptionen zu nutzen, sondern nach einer weiteren zu suchen. Diese kann oft in einer ganz neuen Dimension gefunden werden, z.B. indem das Problem umdefiniert wird.

Standardoptionen für „Nichts von alledem!“ sind z.B. nicht entscheiden oder vertagen. Oder es werden konkrete andere Optionen in die Diskussion gebracht. In unseren Beispielen könnten das sein:

1) gar kein Urlaub (stattdessen eine Anschaffung)
2) keine Einstellung (stattdessen Umorganisation oder Neuverteilung der Aufgaben)
3) Desinvestition (Verkleinerung der Kapazität)

Die Erweiterungen der Optionen aus dem „Entweder … oder …“-Dilemma gehören zum Handwerkszeug geschickter Verhandler.

Sinnvoller Einsatz von Szenarien bei Verhandlungen — Ablösesumme für Manuel Neuer

Der Sieg des FC Bayern in der Champions League sorgt nicht nur in München für Freude und volle Kassen: Auch der FC Schalke darf sich über eine satte Bonuszahlung freuen. Grund sind die Ablösemodalitäten für Manuel Neuer. Durch den Königklassen-Triumph winken den Knappen über fünf Millionen Euro, zusätzlich zu den bereits erhaltenen 24 Millionen Euro.
Eine weitere Nachzahlung von über einer Million wird fällig, falls der Rekordmeister auch das Pokalendspiel gegen den VfB Stuttgart gewinnt.
Neuer wechselte im Sommer 2011 von Schalke nach München für ursprünglich 22 Millionen Euro. Der Ablösevertrag enthält allerdings mehrere Klauseln, die bei den Königsblauen weiter die Kassen klingeln lassen. Bereits im letzen Jahr wuchs die Transfersumme auf über 24 Millionen Euro an, weil die Bayern jeweils im Finale des DFB-Pokals und der Champions League standen.
Insgesamt kann die Ablösesumme durch die wachsende Titelsammlung der Bayern so auf etwa 33 Millionen Euro anwachsen. Schalke-Manager Horst Heldt sagte über den Neuer-Poker mit den Bayern mit einem Lächeln: „Bei den Ablöseverhandlungen waren wir gut drauf…“
Quelle: www.t-online.de, 26.5.2013

Der hier beschriebene Sachverhalt ist ein schönes Beispiel für eine sinnvoll angewandte Szenario-Technik in Verhandlungen — und zwar wertschöpfend für beide Partner!

Wie funktioniert die Szenario-Technik?

Mit Hilfe von Szenarien können Verhandlungspartner bestehende Unsicherheit in Vereinbarungen berücksichtigen. Die Unsicherheit kann sich auf zukünftige Entwicklungen beziehen (Preise, Verkaufszahlen, Umweltbedingungen oder eben auch sportlichen Erfolg einer Fußballmannschaft) oder nicht objektiv oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand bestimmbare Eigenschaften eines Verhandlungsgegenstands.

Dabei werden an die Stelle einer eindeutigen Formulierung bei der Vereinbarung alternative Regelungen für die verschiedenen Szenarien gesetzt. In unserem Beispiel offensichtlich der eventuelle Gewinn von sportlichen Titeln oder Platzierungen in der Zukunft.

Warum ist die Szenario-Technik sinnvoll?

Szenarien können Unsicherheit effizient in Vereinbarungen einbeziehen. Szenarien machen damit ggf. langwierige und unfruchtbare Verhandlungen überflüssig. Zudem sind Szenarien ein geeignetes Instrument um Wert für beide Verhandlungspartner zu schaffen — und tragen so zu einer substanziellen Verbesserung des Verhandlungsergebnisses bei.

Im konkreten Beispiel lag die Unsicherheit in der (zukünftigen) sportlichen Leistungsfähigkeit des Spielers Neuer und seinem (postulierten positiven) Einfluss auf den sportlichen Erfolg seines neuen Arbeitgebers.

Die Kopplung der endgültigen Transfersumme an zukünftigen sportlichen Erfolg macht es dem FC Bayern München deutlich leichter eine höhere Zahlung zu akzeptieren, auch weil bei den entsprechenden Erfolgen das ursprüngliche Ziel der Verpflichtung definitiv als erreicht gelten kann und mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen.

Die hier getroffene Regelung erhöht die Zufriedenheit BEIDER Parteien mit dem Verhandlungsergebnis. Daher wird sich nicht nur der Schalker Manager freuen …

Ein schönes Beispiel für erfolgreiche Wertschöpfung in einer Verhandlung!

Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?

Wann ist genug genug?

Diese Frage tritt dann in Verhandlungen auf, wenn es um Zugeständnisse geht, und insbesondere dann, wenn es um vermeintlich ungleich finanzstarke Verhandlungspartner geht.

Eine populäre Argumentation der in ihren Augen schwächeren Partei ist: „Sie sind so groß / mächtig / wohlhabend, da kommt es doch auf diesen kleinen Betrag für Sie wirklich nicht an …“. Beispiele gefällig? Aus dem Profi-Fussball: Die Einkaufspolitik von 1899 Hoffenheim (Milliardär Hopp ist Mäzen) oder VfL Wolfsburg unter Trainer und Sportdirektor Magath (der VW-Konzern ist Geldgeber). Ohne dass ich Beweise anführen kann, unterstelle ich, dass die finanzstarke Aufstellung der Vereine es Spielern und Beratern etwas einfacher macht hohe Gehälter und Ablösesummen durchzusetzen. Vereine wie der SC Freiburg oder Mainz 05 können einfacher geringen Spielraum glaubwürdig machen. Beispiele aus der Wirtschaft: Jeder Großkonzern in Verhandlungen mit kleinen (Stamm-)Lieferanten. (Bei Lieferanten, die neu gelistet werden wollen, geht das Spiel anders!)

Wie vermeide ich die „Du bist doch reich“-Falle?

Für die vermeintlich oder tatsächlich Finanzstarken kann es teuer werden, sich in diese argumentative Falle locken zu lassen. Bei der konkreten Verhandlung wird ein schlechteres Ergebnis erzielt — und hat Auswirkungen auf weitere Verhandlungen!

Wie ist es zum Beispiel dem HSV gelungen die Ablösesumme für Rafael van der Vaart sehr im Rahmen zu halten, obwohl a) bekanntermaßen ein Milliardär hinter der geplanten Verpflichtung stand und b) das Engagement öffentlich bekannt war? (siehe Blog „War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?„)

Meine Empfehlungen dafür lauten:

1. Möglichst keine öffentlichen Aussagen zu Rolle, Funktion, Zielen eines finanzkräftigen „Sponsors“: Das schwächt die Verhandlungsposition ganz erheblich.

2. Glaubwürdige Alternativen besitzen und dem Verhandlungspartner deutlich machen: Das begrenzt zumindest den Spielraum für die Strategie auf die hohe Finanzkraft zu verweisen (siehe Blog „Verhandlungsmacht von Stars: Jefferson Farfán und Schalke 04„)

3. Durch (objektive) Regeln die Einigung bestimmen lassen: vergleichbare Einigungen, neutrale Wertermittlung oder andere Verfahren, auf die sich die Verhandlungsparteien einigen können. Das Objektivieren nimmt den Fokus von der Finanzkraft.

4. Glaubwürdig den Zugang zu den gern als nahezu unerschöpflich dargestellten Ressourcen begrenzen: Budgets, Vorstandsentscheidungen, Sachzwänge GLAUBWÜRDIG als begrenzenden Faktor inszenieren. Dazu muss vor einer Verhandlung ggf. mit genau diesem Zweck Vorarbeit geleistet werden. D.h. die finanzstarke Partei muss sich quasi selbst Fesseln anlegen. Nur dann ist ein „My hands are tight.“ glaubwürdig genug.

5. Objektiv keine Möglichkeit während der heißen Phase einer Verhandlung „nachzulegen“ oder Rücksprache zu halten. Dabei helfen: Zeitdruck, räumliche Trennung, problematische Tages- oder Wochenzeit (Wochenende, nachts: „da erreiche ich jetzt niemanden …“)

Da der HSV bei Punkt 1. und 2. eher Fehler gemacht hat in der Verhandlungsvorbereitung, Punkt 3. ungeeignet war, wurde sehr erfolgreich über Punkt 4. und 5. die Verhandlung zu Gunsten des HSV gestaltet.

War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?

Ausgangslage

Im August 2012 verpflichtet der HSV seinen ehemaligen Spieler Rafael van der Vaart erneut (siehe Blog „Warum der Wechsel von van der Vaart zurück zum HSV vorhersehbar war“).

In diesem Blog-Beitrag möchte ich mich der Frage widmen, ob die Summe, die letztlich als Transfersumme genannt wurde, aus meiner Sicht gut verhandelt war. Dies ist insbesondere auch deshalb spannend, weil es auch für den Verkäufer ein Leichtes gewesen wäre herauszufinden, dass den Spieler zu kaufen für die Verantwortlichen des HSV eine dominante Strategie darstellte. Die Verhandlungsposition des Verkäufers hätte also als relativ stark eingeschätzt werden können. Dies um so mehr als ein international bekannter Mäzen und Milliardär den Kauf forcierte (siehe Blog „Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?“) (Dass dieser Fakt bekannt ist schwächt die Verhandlungsposition des Käufers (HSV) erheblich!).

Hat sich diese schwierige Konstellation in einem (zu) hohen Kaufpreis niedergeschlagen?

Zusammenfassung des Verlaufs der Verhandlung

Der HSV kommuniziert nach dem Kauf von bereits zwei anderen Spielern für jeweils 4 Mio. € Ablösesumme der Presse sinngemäß „Wir haben kein Geld (mehr) für (noch mehr) neue Spieler.“

Tottenham Hotspur, der Verein, bei dem van der Vaart unter Vertrag steht, fordert zunächst 18 Mio. € Ablösesumme. Nach einem Gespräch des van der Vaart-Beraters mit der Vereinsführung wird diese Summe auf 16 Mio. € abgesenkt (d.h. der Spieler signalisiert dadurch sein Interesse an einem Wechsel). Dies ist die Forderung mit der der Verkäufer in die entscheidende Verhandlungsrunde geht.

Die Antwort des HSV: „Maximal 12 Mio. €, nur möglich durch die Unterstützung von Herrn Kühne.“

Es ist Mittwoch, der 29. August 2012. Am Freitag um 12.00 Uhr endet die Transferperiode.

Am Mittwoch um Mitternacht werden die (telefonischen) Verhandlungen abgebrochen: „Keine Einigung möglich“

In der Nacht zu Donnerstag um 2 Uhr ruft der englische Verein noch einmal auf der HSV-Geschäftsstelle an, wo ein Teil des Vorstands heute nächtigt.

Um 3.30 Uhr gibt es eine Einigung: 13 Mio. €.

Bewertung des Verhandlungsergebnisses

Die Summe von 13 Mio. € liegt näher an der HSV-Grenze (12 Mio. €) als an der letzten Forderung des Verkäufers (16 Mio. €). Das deutet darauf hin, dass

  • der HSV seine Zahlungsgrenze von 12 Mio. € glaubwürdig untermauert hat
  • die Bereitschaft des HSV die Verhandlungen um Mitternacht ergebnislos abzubrechen Eindruck gemacht hat
  • die Bereitschaft bzw. der Druck den Spieler zu verkaufen auf Seiten des Verkäufers doch relativ groß war (immerhin wären noch ca. 24 weitere Stunden „Zeit“ gewesen)

(Es gibt Gerüchte einer direkten Einflussnahme von Sylvie van der Vaart bei Kühne (HSV, Käufer) oder Levy (Präsident Tottenham, Verkäufer) oder sogar beiden (!) um einen Wechsel zurück nach Hamburg zu ermöglichen)

Dessen ungeachtet kann der HSV zum Verhandlungsergebnis nur beglückwünscht werden.

Grundlagen der Verhandlungstheorie II – Warum der Minimalwert in einer Verhandlung oberhalb des BATNA liegen sollte

Minimalwert und BATNA

Der Minimalwert als Attribut einer Verhandlungssituation bezieht sich auf eine konkrete, spezifische Verhandlungssituation z.B. des Verkäufers mit einem speziellen potenziellen Käufer. In dieser Verhandlungssituation hat der Verkäufer einen Minimalwert dort, wo er einem Angebot des potenziellen Käufers gerade noch zustimmen würde (Beispiel Hausverkauf: Der Preis zu dem der Verkäufer in dieser Verhandlung mit diesem Käufer gerade noch einem Verkauf zustimmt). Der Minimalwert kann also von Verhandlungssituation zu Verhandlungssituation variieren, z.B. weil der Verkäufer die Angebote der potenziellen Käufer unterschiedlich einschätzt oder weil der Verkäufer von Verhandlung zu Verhandlung hinzulernt (Beispiel Hausverkauf: Unterschiedliche Vertrauenswürdigkeit, Sympathie, Zahlungskonditionen, aber auch ggf. geringer werdender Minimalpreis nach einer Folge nicht erfolgreicher Gespräche).

Das BATNA des Verkäufers bezieht sich auf die gesamte Verkaufs-Konstellation und nicht nur auf einen einzelnen Interessenten, ist also über die einzelnen Verhandlungen meistens stabil (es sei denn, in den Verhandlungen erhält der Verkäufer Informationen, die sein BATNA verändern). Ein BATNA kann von derselben Art sein wie mögliche Angebote potenzieller Käufer (z.B. ein bereits vorliegendes Kaufangebot), es kann auch von ganz anderem Charakter sein (z.B. die weitere eigene Nutzung des zum Verkauf stehenden Hauses). 

Warum liegt für einen Verkäufer der Minimalwert in der Regel oberhalb des BATNA?

Nun, zunächst einmal kann der Minimalwert (für einen Verkäufer) nicht unterhalb des BATNA liegen, denn dann gäbe es eine bessere Alternative. Also entweder ist das BATNA dann nicht realistisch oder diesem Angebot stimmt der Verkäufer nicht zu (das ist aber gerade die Definition des Minimalwertes).

Warum aber liegt der Minimalwert höher als das BATNA und nicht genau darauf?

Die Annahme eines Angebotes am Minimalwert beendet die Verhandlung. Das bedeutet, dass ein besserer Abschluss als zum Minimalwert fortan ausgeschlossen ist. Das ist sicher. Eventuell ließe sich jedoch das BATNA noch verbessern, z.B. das BATNA-Angebot eines Kaufinteressenten nachverhandeln. D.h. dass das BATNA wirklich so niedrig ist wie zum gegebenen Zeitpunkt (hier: Annahme eines Angebot am Minimalwert) eingeschätzt, ist unsicher.

Der Minimalwert sollte also in dem Maß über dem BATNA liegen, wie es eine mögliche Verbesserung des BATNA und der Verzicht auf mögliche bessere Angebote in weiteren Gesprächen (durch die Beendigung zum Minimalwert) definieren.
Und: Während das BATNA durch äußere Umstände bestimmt wird (die vom Verhandler interpetiert werden), kann der Minimalwert in jeder Verhandlung (und währenddessen) bewusst festgelegt werden.

Kurz gesagt: Der Minimalwert ist sicher und absolut, das BATNA ist unsicher und relativ.

Für gute Verhandler heißt das: Eine Zustimmung zu einem Angebot auf dem Niveau des BATNA ist meistens nicht optimal. Die Erfahrung zeigt, dass in frühen Verhandlungsrunden einem Angebot zum Minimalwert meistens nicht zugestimmt werden sollte und der Minimalwert mit der Zeit leicht sinken darf (damit er nicht schon zu Beginn zu niedrig ist!).

Grundlagen der Verhandlungstheorie I – Glossar der am häufigsten genutzten Begriffe

Die Beschäftigung mit einem Thema erfordert oft die Verwendung klar definierter Fachbegriffe.

Die von mir verwendeten Fachbegriffe möchte ich hier erläutern um eine größere Verständlichkeit und Anwendbarkeit meiner Beiträge zu ermöglichen:

 

Optimalwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, auf das Sie hoffen, das Ihre Wunschvorstellung trifft, das Sie erzielen, wenn die Verhandlung für Sie optimal läuft.

 

Zielwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, das Sie sich (realistischerweise) zum Ziel setzen. Wird dieser Wert in der Verhandlung als Angebot der anderen Seite erreicht, ist mit einer Zustimmung zu rechnen.

 

Minimalwert

Das ist der Wert bzw. das Ergebnis, zu dem Sie gerade noch zustimmen. Bleiben die Angebote der Gegenseite unter diesem Wert, ist mit keiner Einigung zu rechnen. Deshalb wird dieser Wert auch Walk-away-Punkt genannt.

 

BATNA

Akronym für Best Alternative To Negotiated Agreement, also Ihre beste Alternative, falls es zu keiner Verhandlungslösung kommt. Diese Alternative kann ich einem Verzicht (z.B. auf einen Verkauf und einer weiteren Nutzung) oder in einem Angebot einer anderen Verhandlungspartei bestehen.

 

ZOPA

Akronym für Zone Of Potential Agreement, also Zone der möglichen Einigung. Dieser Bereich wird in der Regel durch die jeweiligen Minimalwerte der beiden Verhandlungsparteien definiert. Beispiel: Der Verkäufer eines Hauses möchte mindestens 200.000 € erzielen; der potenzielle Käufer maximal 250.000 € bezahlen. Die ZOPA umfasst dann den Bereich 200.000 € – 250.000 € und ist 50.000 € groß.

Spannend ist dann die Lage der Einigung innerhalb der ZOPA. Hier sind Einfallsreichtum, glaubwürdige Alternativen und Verhandlungsgeschick gefragt.

Die Größe der ZOPA kann auch Null sein. Die ist dann der Fall, wenn sich die Minimalwerte der beiden Verhandlungsparteien nicht überschneiden. Dann wird es in der Regel nicht zu einer Verhandlungslösung kommen.

„Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“

 Die Regeln für die Höhe eines ersten Angebotes leiten sich daraus ab die zwei Hauptrisiken zu vermeiden (abgesehen vom Risiko der Informationspreisgabe überhaupt durch ein erstes Angebot, siehe Blogbeitrag „Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“).

Risiko 1 – zu niedrig

Das erste (und gravierendere) Risiko ist ein zu niedriges Angebot zu formulieren.

Damit wird, noch ohne Not, ein Teil der ZOPA (mögliche Einigungszone) preisgegeben. Das Risiko ist dann besonders groß, wenn die ZOPA der Partei, die das erste Angebot macht, gar nicht genau bekannt ist (was eher die Regel als die Ausnahme ist!).

Risiko 2 – zu hoch

Das zweite Risiko ist, dass das Angebot (viel) zu hoch ist und negative Konsequenzen für die Verhandlungssituation hat.

Regeln für ein erstes Angebot

  1. gesamte ZOPA erhalten (also Angebot jenseits des Minimalwertes der Gegenpartei, der dazu allerdings gut eingeschätzt werden muss!)
  2. Begründung liefern (können) (Eine unaufgefordert unmittelbar nach dem ersten Angebot mitgelieferte Begründung schwächt das Angebot unnötig ab und bietet Angriffspunkte für die Gegenpartei)
  3. Angemessene Aggressivität (so hoch bzw. niedrig, wie sie gerade noch begründen bzw. rechtfertigen können)

Die Schwierigkeit ein erstes Angebot wirklich gut zu machen, trägt mit zu meiner Abneigung bei selbst ein erstes Angebot zu machen.

Wann ein erstes Angebot machen?

Wenn allerdings die ZOPA und der Minimalwert der Gegenseite gut eingeschätzt werden können, dann, und nur dann, überlagert der Vorteil den Nachteil ein erstes Angebot zu machen.

„Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“

Ich bin kein Freund davon ein erstes Angebot in einer Verhandlung zu machen. Manchmal lässt es sich allerdings beim besten Willen nicht umgehen. Früher habe ich versucht unter allen Umständen zu vermeiden, dass ich derjenige bin, der das erste Angebot unterbreitet. Heute gibt es Situationen, in denen ich bereitwillig ein erstes Angebot mache.

Ich will gern erläutern, warum ich zu dieser Überzeugung gelangt bin.

 Verhandlungssituation für ein erstes Angebot

Nach dem Austausch erster Freundlichkeiten zu Beginn einer Verhandlung oder bereits intensiver Erörterung der Fakten und Ausgangslage: Irgendwann kommt der Moment, in dem eine der beiden Verhandlungsparteien ein erstes Angebot macht.

Sei es, dass der Verkäufer eines Hauses einer Maschine, eines Unternehmens, eines Flohmarktartikels nach einer ersten Prüfung durch einen Interessenten aufgefordert ist zu sagen, „was er denn gern dafür hätte“. Sei es, dass ein Käufer (auf ein unausgesprochenes erstes Angebot wie ein Preisschild oder eine Preisliste) mit einem konkreten Angebot reagiert oder bei einer offenen oder verdeckten Auktion mit einem ersten Angebot überhaupt erst zu erkennen gibt, dass ein konkretes Kaufinteresse besteht.

Wirkung eines ersten Angebotes – Vorteil und Nachteil

Die Wirkung eines ersten Angebotes ist zweigestalt.

Das erste Angebot, gut formuliert und gewählt (siehe dazu mein Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“), verschafft eine gewisse Kontrolle über die Verhandlungssituation. Die Diskussion, wenn sie denn stattfindet, kreist um diese genannte Marke (sog. Ankerpunkt). Damit geht eine auch psychologische Beeinflussung der Verhandlungsparteien einher, die nicht zu unterschätzen ist.

Diesem vermeintlichen Vorteil entgegen wirkt die Preisgabe einer wichtigen Information zu einem vergleichsweise früher Zeitpunkt in der Verhandlung: Das erste Angebot bezeichnet mit großer Sicherheit einen Punkt am Ende oder außerhalb der ZOPA (mögliche Einigungszone: ZOPA = Zone of potential agreement; siehe mein Blog „Grundlagen der Verhandlungstheorie I“). Damit erhält die Partei, die nicht das erste Angebot gemacht hat, einen nicht zu unterschätzenden Informationsvorteil (siehe mein Blog „Informations-Asymmetrien beim Poker nutzen“).

Welche Wirkung überwiegt nun? Die positive oder die negative? Nun, das lässt sich nicht mit Sicherheit und für alle Fälle beantworten. Allerdings: Während sich ein erfahrener Verhandler relativ gut vor der Anker-Wirkung eines ersten Angebotes schützen kann (also der Vorteil leicht verpuffen kann), tritt die nachteilige Wirkung der einseitigen Informationspreisgabe nahezu immer ein. Nicht nur, dass die Partei, die das erste Angebot macht, oft keinen Vorteil erzielt. Die Gegenseite kann oft das erste Angebot zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.

Also nicht nur oft kein Vorteil für den, der das erste Angebot macht, sondern meistens sogar ein handfester Nachteil.

Daher meine Abneigung selbst ein erstes Angebot zu machen und mein Versuch auf ein erstes Angebot der Gegenseite selbst geschickt reagieren zu können!

Eine Konstellation gibt es allerdings, in der es empfehlenswert ist, das erste Angebot selbst zu machen.

Welche dies ist, und welche Regeln für ein erstes Angebot gelten (wenn man es denn machen will oder muss) steht im meinem Blog „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“