Sinnvoller Einsatz von Szenarien bei Verhandlungen — Ablösesumme für Manuel Neuer

Der Sieg des FC Bayern in der Champions League sorgt nicht nur in München für Freude und volle Kassen: Auch der FC Schalke darf sich über eine satte Bonuszahlung freuen. Grund sind die Ablösemodalitäten für Manuel Neuer. Durch den Königklassen-Triumph winken den Knappen über fünf Millionen Euro, zusätzlich zu den bereits erhaltenen 24 Millionen Euro.
Eine weitere Nachzahlung von über einer Million wird fällig, falls der Rekordmeister auch das Pokalendspiel gegen den VfB Stuttgart gewinnt.
Neuer wechselte im Sommer 2011 von Schalke nach München für ursprünglich 22 Millionen Euro. Der Ablösevertrag enthält allerdings mehrere Klauseln, die bei den Königsblauen weiter die Kassen klingeln lassen. Bereits im letzen Jahr wuchs die Transfersumme auf über 24 Millionen Euro an, weil die Bayern jeweils im Finale des DFB-Pokals und der Champions League standen.
Insgesamt kann die Ablösesumme durch die wachsende Titelsammlung der Bayern so auf etwa 33 Millionen Euro anwachsen. Schalke-Manager Horst Heldt sagte über den Neuer-Poker mit den Bayern mit einem Lächeln: „Bei den Ablöseverhandlungen waren wir gut drauf…“
Quelle: www.t-online.de, 26.5.2013

Der hier beschriebene Sachverhalt ist ein schönes Beispiel für eine sinnvoll angewandte Szenario-Technik in Verhandlungen — und zwar wertschöpfend für beide Partner!

Wie funktioniert die Szenario-Technik?

Mit Hilfe von Szenarien können Verhandlungspartner bestehende Unsicherheit in Vereinbarungen berücksichtigen. Die Unsicherheit kann sich auf zukünftige Entwicklungen beziehen (Preise, Verkaufszahlen, Umweltbedingungen oder eben auch sportlichen Erfolg einer Fußballmannschaft) oder nicht objektiv oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand bestimmbare Eigenschaften eines Verhandlungsgegenstands.

Dabei werden an die Stelle einer eindeutigen Formulierung bei der Vereinbarung alternative Regelungen für die verschiedenen Szenarien gesetzt. In unserem Beispiel offensichtlich der eventuelle Gewinn von sportlichen Titeln oder Platzierungen in der Zukunft.

Warum ist die Szenario-Technik sinnvoll?

Szenarien können Unsicherheit effizient in Vereinbarungen einbeziehen. Szenarien machen damit ggf. langwierige und unfruchtbare Verhandlungen überflüssig. Zudem sind Szenarien ein geeignetes Instrument um Wert für beide Verhandlungspartner zu schaffen — und tragen so zu einer substanziellen Verbesserung des Verhandlungsergebnisses bei.

Im konkreten Beispiel lag die Unsicherheit in der (zukünftigen) sportlichen Leistungsfähigkeit des Spielers Neuer und seinem (postulierten positiven) Einfluss auf den sportlichen Erfolg seines neuen Arbeitgebers.

Die Kopplung der endgültigen Transfersumme an zukünftigen sportlichen Erfolg macht es dem FC Bayern München deutlich leichter eine höhere Zahlung zu akzeptieren, auch weil bei den entsprechenden Erfolgen das ursprüngliche Ziel der Verpflichtung definitiv als erreicht gelten kann und mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen.

Die hier getroffene Regelung erhöht die Zufriedenheit BEIDER Parteien mit dem Verhandlungsergebnis. Daher wird sich nicht nur der Schalker Manager freuen …

Ein schönes Beispiel für erfolgreiche Wertschöpfung in einer Verhandlung!

Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?

Wann ist genug genug?

Diese Frage tritt dann in Verhandlungen auf, wenn es um Zugeständnisse geht, und insbesondere dann, wenn es um vermeintlich ungleich finanzstarke Verhandlungspartner geht.

Eine populäre Argumentation der in ihren Augen schwächeren Partei ist: „Sie sind so groß / mächtig / wohlhabend, da kommt es doch auf diesen kleinen Betrag für Sie wirklich nicht an …“. Beispiele gefällig? Aus dem Profi-Fussball: Die Einkaufspolitik von 1899 Hoffenheim (Milliardär Hopp ist Mäzen) oder VfL Wolfsburg unter Trainer und Sportdirektor Magath (der VW-Konzern ist Geldgeber). Ohne dass ich Beweise anführen kann, unterstelle ich, dass die finanzstarke Aufstellung der Vereine es Spielern und Beratern etwas einfacher macht hohe Gehälter und Ablösesummen durchzusetzen. Vereine wie der SC Freiburg oder Mainz 05 können einfacher geringen Spielraum glaubwürdig machen. Beispiele aus der Wirtschaft: Jeder Großkonzern in Verhandlungen mit kleinen (Stamm-)Lieferanten. (Bei Lieferanten, die neu gelistet werden wollen, geht das Spiel anders!)

Wie vermeide ich die „Du bist doch reich“-Falle?

Für die vermeintlich oder tatsächlich Finanzstarken kann es teuer werden, sich in diese argumentative Falle locken zu lassen. Bei der konkreten Verhandlung wird ein schlechteres Ergebnis erzielt — und hat Auswirkungen auf weitere Verhandlungen!

Wie ist es zum Beispiel dem HSV gelungen die Ablösesumme für Rafael van der Vaart sehr im Rahmen zu halten, obwohl a) bekanntermaßen ein Milliardär hinter der geplanten Verpflichtung stand und b) das Engagement öffentlich bekannt war? (siehe Blog „War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?„)

Meine Empfehlungen dafür lauten:

1. Möglichst keine öffentlichen Aussagen zu Rolle, Funktion, Zielen eines finanzkräftigen „Sponsors“: Das schwächt die Verhandlungsposition ganz erheblich.

2. Glaubwürdige Alternativen besitzen und dem Verhandlungspartner deutlich machen: Das begrenzt zumindest den Spielraum für die Strategie auf die hohe Finanzkraft zu verweisen (siehe Blog „Verhandlungsmacht von Stars: Jefferson Farfán und Schalke 04„)

3. Durch (objektive) Regeln die Einigung bestimmen lassen: vergleichbare Einigungen, neutrale Wertermittlung oder andere Verfahren, auf die sich die Verhandlungsparteien einigen können. Das Objektivieren nimmt den Fokus von der Finanzkraft.

4. Glaubwürdig den Zugang zu den gern als nahezu unerschöpflich dargestellten Ressourcen begrenzen: Budgets, Vorstandsentscheidungen, Sachzwänge GLAUBWÜRDIG als begrenzenden Faktor inszenieren. Dazu muss vor einer Verhandlung ggf. mit genau diesem Zweck Vorarbeit geleistet werden. D.h. die finanzstarke Partei muss sich quasi selbst Fesseln anlegen. Nur dann ist ein „My hands are tight.“ glaubwürdig genug.

5. Objektiv keine Möglichkeit während der heißen Phase einer Verhandlung „nachzulegen“ oder Rücksprache zu halten. Dabei helfen: Zeitdruck, räumliche Trennung, problematische Tages- oder Wochenzeit (Wochenende, nachts: „da erreiche ich jetzt niemanden …“)

Da der HSV bei Punkt 1. und 2. eher Fehler gemacht hat in der Verhandlungsvorbereitung, Punkt 3. ungeeignet war, wurde sehr erfolgreich über Punkt 4. und 5. die Verhandlung zu Gunsten des HSV gestaltet.

War die Ablösesumme für van der Vaart vom HSV gut verhandelt?

Ausgangslage

Im August 2012 verpflichtet der HSV seinen ehemaligen Spieler Rafael van der Vaart erneut (siehe Blog „Warum der Wechsel von van der Vaart zurück zum HSV vorhersehbar war“).

In diesem Blog-Beitrag möchte ich mich der Frage widmen, ob die Summe, die letztlich als Transfersumme genannt wurde, aus meiner Sicht gut verhandelt war. Dies ist insbesondere auch deshalb spannend, weil es auch für den Verkäufer ein Leichtes gewesen wäre herauszufinden, dass den Spieler zu kaufen für die Verantwortlichen des HSV eine dominante Strategie darstellte. Die Verhandlungsposition des Verkäufers hätte also als relativ stark eingeschätzt werden können. Dies um so mehr als ein international bekannter Mäzen und Milliardär den Kauf forcierte (siehe Blog „Wann ist genug genug? Wie kann ein Milliardär eine Finanzierungszusage im niedrigen Millionenbereich wirksam begrenzen?“) (Dass dieser Fakt bekannt ist schwächt die Verhandlungsposition des Käufers (HSV) erheblich!).

Hat sich diese schwierige Konstellation in einem (zu) hohen Kaufpreis niedergeschlagen?

Zusammenfassung des Verlaufs der Verhandlung

Der HSV kommuniziert nach dem Kauf von bereits zwei anderen Spielern für jeweils 4 Mio. € Ablösesumme der Presse sinngemäß „Wir haben kein Geld (mehr) für (noch mehr) neue Spieler.“

Tottenham Hotspur, der Verein, bei dem van der Vaart unter Vertrag steht, fordert zunächst 18 Mio. € Ablösesumme. Nach einem Gespräch des van der Vaart-Beraters mit der Vereinsführung wird diese Summe auf 16 Mio. € abgesenkt (d.h. der Spieler signalisiert dadurch sein Interesse an einem Wechsel). Dies ist die Forderung mit der der Verkäufer in die entscheidende Verhandlungsrunde geht.

Die Antwort des HSV: „Maximal 12 Mio. €, nur möglich durch die Unterstützung von Herrn Kühne.“

Es ist Mittwoch, der 29. August 2012. Am Freitag um 12.00 Uhr endet die Transferperiode.

Am Mittwoch um Mitternacht werden die (telefonischen) Verhandlungen abgebrochen: „Keine Einigung möglich“

In der Nacht zu Donnerstag um 2 Uhr ruft der englische Verein noch einmal auf der HSV-Geschäftsstelle an, wo ein Teil des Vorstands heute nächtigt.

Um 3.30 Uhr gibt es eine Einigung: 13 Mio. €.

Bewertung des Verhandlungsergebnisses

Die Summe von 13 Mio. € liegt näher an der HSV-Grenze (12 Mio. €) als an der letzten Forderung des Verkäufers (16 Mio. €). Das deutet darauf hin, dass

  • der HSV seine Zahlungsgrenze von 12 Mio. € glaubwürdig untermauert hat
  • die Bereitschaft des HSV die Verhandlungen um Mitternacht ergebnislos abzubrechen Eindruck gemacht hat
  • die Bereitschaft bzw. der Druck den Spieler zu verkaufen auf Seiten des Verkäufers doch relativ groß war (immerhin wären noch ca. 24 weitere Stunden „Zeit“ gewesen)

(Es gibt Gerüchte einer direkten Einflussnahme von Sylvie van der Vaart bei Kühne (HSV, Käufer) oder Levy (Präsident Tottenham, Verkäufer) oder sogar beiden (!) um einen Wechsel zurück nach Hamburg zu ermöglichen)

Dessen ungeachtet kann der HSV zum Verhandlungsergebnis nur beglückwünscht werden.

Trainersuche VfL Wolfsburg Dezember 2012: Warum Dieter Hecking und nicht Bernd Schuster Trainer wurde

Ausgangssituation

Nach anhaltender sportlicher Talfahrt in der ersten Saisonhälfte 2012/13 wurde Trainer und Sportdirektor Felix Magath vom VfL Wolfsburg Anfang Dezember entlassen.

Ein neuer Sportdirektor wurde relativ schnell bei Ligakonkurrent Werder Bremen abgeworben: Klaus Allofs.

Die erste und wichtigste Aufgabe des neuen Sportdirektors war es, einen neuen Trainer zu verpflichten. 

Nach einer kurzen Orientierungsphase (und öffentlicher Diskussion der üblichen Verdächtigen für vakante Trainerposten in der Fußball-Bundesliga) kristallisierte sich ein Favorit heraus.

In den Medien wurde die Verpflichtung von Bernd Schuster als neuem Trainer als so sicher kolportiert, dass sich schon Protest von Fanseite im Internet formierte. Dessen ungeachtet wurde allgemein mit einer kurzfristigen Bestätigung der Personalie durch den Verein gerechnet.

Ergebnis

Es kam ganz anders.

Nur kurze Zeit nach der erwarteten Bestätigung gab der neue Sportdirektor Klaus Allofs die Verpflichtung des neuen VfL Wolfsburg-Trainers bekannt: Dieter Hecking vom 1. FC Nürnberg. Eine wahrhaft überraschende Wendung des Falles.

Klaus Allofs hatte Gerüchte über die bevorstehende Verpflichtung von Bernd Schuster nur in so weit genährt, dass er Gespräche bestätigte und den Fakt, dass „Schuster ein Kandidat für diesen Posten“ sei.

Auflösung

Nachdem sich die allgemeine Überraschung gelegt hatte, sickerten mögliche Gründe dafür durch, dass der offensichtliche Favorit am Ende nicht erfolgreich war. Es war von hohen Gehaltsforderungen inkl. eines (nahezu) kompletten Austausches des Trainer- und Betreuerstabes die Rede.

Sich von Seiten des Vereins auf eine erfolgreiche Einigung mit dem Favoriten zu verlassen ohne gleichzeitig weitere Alternativen zu verfolgen, hätte desaströse Folgen haben können. Das BATNA in den Verhandlungen mit Schuster wäre dramatisch schlechter gewesen. Der Abbruch der Verhandlungen hätte Zeitverzug und Reputationsverlust nach sich gezogen, ein später verpflichteter Trainer wäre als nur zweitbeste Lösung gekommen.

Parallel zur nahezu öffentlichen Verhandlung mit dem Favoriten Schuster diskrete Gespräche mindestens mit einem weiteren Kandidaten (Hecking) geführt zu haben, war ein erster deutlicher Kompetenzbeweis des neuen Sportdirektors. Nur dadurch konnten die offensichtlich für den Verein unannehmbaren Forderungen Schusters ohne negative Konsequenzen abgelehnt werden.

Glaubwürdige Alternativen sind erfolgsentscheidend!

Hier hat jemand seine Hausaufgaben gemacht. Kompliment, Herr Allofs.

Verhandlungsmacht von Stars: Jefferson Farfan und Schalke 04 in der Saison 2011/12

Ausgangssituation

Jefferson Farfán ist erfolgreicher Stürmer bei Schalke 04; durch seine Leistungen hat der Club die Champions League der Saison 2011/12 erreicht.
Sein Gehalt beträgt 2,7 Mio.€ pro Jahr; der Vertrag läuft im Sommer 2012 aus.
In der Winterpause 2011/12 beginnen Gespräche über einen neuen Vertrag.
Der Verein bietet eine deutliche Gehaltssteigerung (auf 6 Mio.€ p.a.) und eine Laufzeit von zwei Jahren.
Der Spieler fordert 6 Mio.€ p.a. plus 14 Mio.€ für die Vertragsunterschrift – und droht mit dem ablösefreien Weggang im Sommer 2012.

Problematik

Der Verein befindet sich in einer Zwickmühle. Er droht einen sehr leistungsstarken und beim Publikum beliebten Spieler zu verlieren ohne eine Ablösesumme zu bekommen ODER der Verein muss eine schmerzhaft mehr für den Verbleib des Spielers zahlen (aufgerufen sind unverhandelte 26 Mio. € für zwei Jahre!). Durch die dauerhaft wirklich starken Leistungen des Spielers wäre ein Verlust des Spielers nur schwer zu vermitteln, andererseits würden die geforderten Konditionen den Verein stark belasten und die Stabilität des gesamten Gehaltsgefüges der Profimannschaft gefährden.

Der Spieler verfügt über eine große Verhandlungsmacht, das BATNA des Vereins ist erkennbar schwach.

Lösung

Das kluge Verhalten des Vereins ist ein gutes Beispiel für: Was tun bei einem (wirklich und erkennbar) schwachen BATNA?

Die Verantwortlichen von Schalke 04 griffen zu einer geschickten Lösung. Nachdem ernst gemeinte und wohlwollende Verhandlungsgespräche durch die hohe Forderung von Spieler und Berater nicht zum gewünschten Erfolg führten, wurden Ende Januar 2012 weitere Gespräche zunächst ausgesetzt.

In der Zwischenzeit wurde ein anderer Spieler fest unter Vertrag genommen. Der auf der gleichen Position spielende und bisher schon von seinem bisherigen Verein 1899 Hoffenheim ausgeliehene Obasi. Für diese Verpflichtung wurden 5 Mio. € bezahlt.

An diese Verpflichtung schlossen sich erneute Verhandlungen mit Farfán an, die relativ schnell in den erfolgreichen Abschluss eines 4-Jahres-Vertrages mündeten.

Es ist leider nicht bekannt, zu welchen Konditionen (Gehalt, Signing Fee für Vertragsunterschrift) die Vertragsverlängerung erzielt wurde. Die Vermutung sei erlaubt, dass diese zu deutlich besseren Konditionen möglich war als vom Spieler ursprünglich gefordert. D.h. die aus mehrfacher Hinsicht sinnvolle Verpflichtung eines positionsgleichen Ersatzspielers hat ihre Kosten wohl bereits wieder eingespielt.

Dieses Beispiel möge den Wert einer glaubwürdigen Alternative zur dokumentierten Verbesserung eines schwachen BATNA verdeutlichen.

Glaubwürdige Alternativen zu besitzen und den Verhandlungspartner von ihrer Existenz zu überzeugen sind oft entscheidende  Faktoren, um eine Verhandlung zu eigenen Gunsten zu beeinflussen.

Informations-Asymmetrien beim Poker nutzen

Texas hold’em

Texas Hold’em ist in den letzten Jahren zu einer weit verbreiteten und populären Spielart des Poker geworden und auch außerhalb der USA bekannt.

Die Faszination und Besonderheit dieser Spielvariante liegt darin, dass die Spieler (nur) über zwei eigene Spielkarten (hole cards) verfügen und mit bis zu fünf öffentlichen, allen Spielern zur Verfügung stehenden Karten (community cards) ihre bestmögliche Hand bilden.

Damit verfügen Mitspieler (und Zuschauer) über deutlich mehr Informationen über die jeweiligen Hände als in den meisten anderen Poker-Varianten.

In den verschiedenen (bis zu vier) Bietrunden beim Poker entscheiden die Spieler nach einer vorgegebenen, von Spiel zu Spiel wechselnden Reihenfolge, über ihre Einsätze: Setzen eines Einsatzes (bet) (wenn in der betreffenden Bietrunde noch kein vorheriger Spieler gesetzt hat), Mitsetzen (call) (eines durch einen vorherigen Spieler gesetzten Einsatzes), Erhöhen (raise) (eines durch einen vorherigen Spieler gesetzten Einsatzes) oder Halten (check) (kein Einsatz und trotzdem verbunden mit dem Verbleib im Spiel, nur möglich, wenn kein vorheriger Spieler gesetzt hat), Passen (fold) (kein Mitgehen mit einem Einsatz eines vorherigen Spielers).

Was hat Texas hold’em mit Verhandeln zu tun?

Die Verbindung von erfolgreichem Texas hold’em-Spiel zum erfolgreichen Verhandeln ist der nutzbringende Umgang mit durch die Gegenseite (freiwillig oder unfreiwillig) preis gegebenen Informationen. Wer es versteht diese Informationen geschickt zu nutzen, wird erfolgreicher sein.

Wie lassen sich ungleich verteilte Informationen (= Informations-Asymmetrien) nutzen?

Das Bietverhalten der Pokerspieler lässt Rückschlüsse zu darauf, wie hoch sie ihre Gewinnchancen einschätzen. Mit ihrem Bietverhalten geben sie Informationen preis. Die Poker-Spielregeln bestimmen, dass die Spieler zu dieser Informations-Preisgabe nach einer bestimmten Reihenfolge aufgefordert sind. D.h. die Spieler, die in diesem Spiel sich erst später, idealerweise als letzte in jeder Bietrunde, erklären müssen, haben einen großen Vorteil. Diese Spieler haben Informationen aus dem Verhalten aller Spieler, die sich vor ihnen erklären mussten ohne selbst eine entsprechende Information preisgegeben zu haben. Diese Situation ist vergleichbar mit der Konstellation welche Partei ein erstes Angebot macht (siehe Blogs „Soll ich ein erstes Angebot machen? Und wenn ja, wie?“ und „Wann und wie mache ich ein erstes Angebot?“)

Gewinn aus der Informations-Asymmetrie

Eine einfache, aber ungemein erfolgreiche Anwendung dieses Phänomens ist: Setzen, wenn alle noch verbliebenen Spieler, idealerweise nur einer oder zwei, nur gecheckt haben und idealerweise kein Spieler in dieser Bietrunde hinter Ihnen sitzt (nahezu egal über welches Blatt Sie verfügen!). Mit erfahrungsgemäß ausreichend großer Wahrscheinlichkeit passen die neben Ihnen verbliebenen Spieler. Setzen Sie z.B. knapp weniger als die halbe im „Pot“ befindliche Summe, reicht es, wenn in der Hälfte der Fälle die übrigen Mitspieler passen (erfahrungsgemäß tun sie dies noch häufiger!), damit Sie mit dieser Biet-Strategie Gewinn machen. Diese Strategie führt sogar dann zum Erfolg, wenn Sie die Spiele in denen ein Mitspieler doch mit Ihrem Einsatz mitgeht ausnahmslos verlieren (was statistisch nicht zu erwarten ist!). (Sollten mehr als zwei weitere Spieler noch beteiligt sein und noch Spieler in der Bietrunde hinter Ihnen sitzen, sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass doch einer der vor Ihnen sitzenden Spieler ein gutes Blatt hat, steigt und Spieler nach Ihnen haben größere Vorteile aus der Informations-Asymmetrie als Sie selbst in dieser Spielsituation! Also Vorsicht.)

Disclaimer:
Aus nahe liegenden Gründen kann ich keine Garantie für einen Erfolg dieser Strategie übernehmen. Sie soll lediglich die Bedeutung von Informations-Asymmetrien in Verhandlungssituationen verdeutlichen. Sollten Sie es dennoch „live“ ausprobieren wollen: Viel Erfolg!

Spätes Bieten bei ebay als kluge Strategie

Warum spätes Bieten bei einer ebay-Auktion gut für Sie ist. Und warum ebay es verhindern möchte.

Wie funktioniert ebay?

Bei ebay werden Waren und Dienstleistungen versteigert durch eine Auktion, genau genommen durch eine spezielle Form der Zweitpreisauktion. Denn: Der siegreiche Teilnehmer zahlt das Gebot des Bieters, der am zweitmeisten geboten hat, plus einen Mindesterhöhungsschritt. Hat also ein Bieter 6 € geboten, der Bieter mit dem zweithöchsten Gebot 4,80 €, wird die Auktion zum Preis von 5,30 € beendet (zweithöchstes Gebot 4,80 € + Mindesterhöhungsschritt in diesem Wertbereich 0,50 € = 5,30 €). D.h. der erfolgreiche Bieter gewinnt zu einem Preis unterhalb seines Höchstgebotes.

Wann wird geboten?

Wenn sich ein Nutzer entscheidet an einer Aktion aktiv teilzunehmen, wird er von ebay aufgefordert sein Gebot einzugeben und zu bestätigen. Wird der Bieter mit diesem Gebot nicht Höchstbietender, erhält er eine entsprechende Nachricht „Sie wurden überboten“ und kann / soll sein ursprüngliches Gebot erhöhen. Nach Abgabe eines (zu diesem Zeitpunkt) Höchstgebotes bietet ebay an bzw. fordert den Bieter auf sein Maximalgebot verbindlich abzugeben.

Warum macht ebay das?

Die Vorteile eines zu diesem (frühen) Zeitpunkt abgegebenen Maximalgebotes liegen auf der Hand: Sobald zwei Gebote für diese Auktion vorliegen, steigt der dargestellte Preis an (zweithöchstes Gebot + Mindesterhöhungsschritt oder Höchstgebot, wenn Höchstgebot und zweithöchstes Gebot weniger als einen Mindesterhöhungsschritt auseinander liegen). Damit kommt die Auktion „in Gang“. Weitere Bieter müssen relativ hoch bieten, um überhaupt (zwischenzeitlicher) Höchstbietender zu werden. Tendenziell erreicht die Auktion so einen höheren Abschlusspreis. Und das ist gut für ebay!

Ist es gut für den Bieter?

Nein. Die frühe und damit vorzeitige verbindliche Abgabe des Maximalgebotes erhöht tendenziell den Preis, zu dem die Auktion gewonnen werden kann (s.o.) — und das liegt nicht im Interesse der Bieter. Zudem senkt die vorzeitige Abgabe des Maximalgebotes die Wahrscheinlichkeit für diesen Bieter die Auktion zu gewinnen — und das ist wohl noch schlechter als ein ggf. höherer Preis unterhalb des Maximalgebotes.

Warum senkt die frühzeitige Abgabe des Maximalgebotes die Wahrscheinlichkeit eine Auktion zu gewinnen?

Es entsteht eine Informations-Asymmetrie zu Ungunsten des Bieters, der sein Maximalgebot offenbart hat. Zwar ist das Maximalgebot nicht offen erkennbar, dennoch bietet es anderen Bietern die Chance, sich an dieses Maximalgebot relativ gefahrlos (nämlich in kleinen Schritten) heranzutasten. Die anderen Bieter wissen demnach mehr über das Bietverhalten und die Strategie des „Früh-Bieters“ als dieser über seine Konkurrenten.
Daher empfiehlt es sich möglichst spät zu bieten. So vermeidet ein Bieter die für ihn negative Informations-Asymmetrie und reduziert die Zeitspanne, in der andere Bieter auf sein dann ggf. Höchstgebot reagieren können. Spät zu bieten ist die dominante Strategie bei ebay, wenn der Bieter Zeit und Gelegenheit hat, das unmittelbare Ende der Auktion „live“ zu verfolgen. Und genau deshalb ist es bei ebay so populär — gegen den Willen der Plattformbetreiber.

Warum der Wechsel von van der Vaart zurück zum HSV vorhersehbar war

Die Ausgangslage: HSV mit schwachem Saisonstart in Abstiegsangst

Der HSV, einziges ununterbrochen erstklassiges Bundesliga-Gründungsmitglied, ist im August 2012 miserabel in die 50. Bundesligasaison gestartet. Die Mannschaft und vor allem Trainer Thorsten Fink sowie Sportchef Frank Arnesen stehen massiv in der Kritik. Ihnen werden Versäumnisse und Inkompetenz und noch schlimmer: Naivität bei der Zusammenstellung des Kaders vorgeworfen. Fans und Verantwortliche des HSV sehen sich der ernsten und nicht unwahrscheinlichen Bedrohung des ersten Bundesliga-Abstiegs ihres Vereins gegenüber, mit unübersehbaren Folgen für die Reputation und Wirtschaftskraft des Vereins — und das Selbstverständnis der Verantwortlichen. Guter Rat ist teuer. Die Finanzen des Klubs sind auf das Äußerste angespannt. Mit einem Kraftakt wurden für jeweils (!) 4 Mio. € die Spieler Jiracek und Badelj zu Beginn der Transferperiode verpflichtet, die kurzfristig die Erwartungen an einer Verbesserung der sportlichen Leistung nicht erfüllen.

Unternehmer, Mäzen und HSV-Edelfan Klaus-Michael Kühne bringt zum wiederholten Male eine Idee ins Gespräch: eine Verpflichtung des ehemaligen Stars und Lieblingsspielers Rafael van der Vaart. Der Holländer steht zum damaligen Zeitpunkt bei Tottenham Hotspur aus der ersten englischen Liga unter Vertrag. Kühne verspricht eine mögliche Verpflichtung durch ein großzügiges Darlehen finanziell zu unterstützen, d.h. faktisch überhaupt erst zu ermöglichen. Die Transferperiode endet in vier Tagen.

 

Die Frage: Van der Vaart verpflichten oder nicht?

Wird der Vorstand in dieser sportlich und finanziell prekären Situation einen Spieler verpflichten, von dem nicht sicher ist ob und wie schnell er dem Verein helfen kann, der 2008 durchaus mit unangenehmen Begleiterscheinungen den Verein auf eigenes Bestreben verließ, dessen Verpflichtung die Mitsprache des Großinvestors Kühne zementiert, die finanzielle Situation des Vereins nachhaltig verschlechtert und Trainer wie Sportchef demonstrativ desavouiert?

 

Das Ergebnis: Viel Geld für van der Vaart, das der HSV nicht hat

Nach zähen auch nächtlichen Verhandlungen einigt sich der HSV-Vorstand mit dem Präsidenten der Tottenham Hotspur Daniel Levy auf einen unmittelbaren Wechsel des Fußballers. Dem Vernehmen nach liegen die Konditionen für den Wechsel näher am Mehr-können-und-werden-wir-nicht-bezahlen-Wert des HSV als am Für-weniger-geben-wir-ihn-nicht-her-Wert der Briten (siehe dazu den Blogbeitrag War die Ablösesumme für van der Vaart gut vom HSV verhandelt?)

 

Warum war die Verpflichtung van der Vaarts aus verhandlungs-theoretischer Sicht vorherzusehen?

Entscheidend für die Beurteilung der Vorhersagbarkeit ist die Situation des HSV Vorstands.

Für eine Beschreibung seiner Ausgangslage müssen nur zwei Szenarien beurteilt und miteinander verknüpft werden:

  1. Van der Vaart kaufen? Ja oder Nein?
  2. Ist der HSV am Saisonende 2012/13 abgestiegen? Ja oder Nein?

Ein Abstieg des HSV im Sommer 2013 wäre die größte anzunehmende Katastrophe aus der Sicht des amtierenden Vorstands. Wurde im Sommer 2012 die Chance vertan einen Spieler zu verpflichten, der vielleicht die Mannschaft vor dem Abstieg gerettet hätte, würden Fans und Aufsichtsrat die Schuld dafür dem Vorstand geben, gleichbedeutend mit dem Ende seiner Amtszeit. Wurde der Spieler gekauft, der Abstieg dennoch nicht vermieden, kann der Vorstand für sich in Anspruch nehmen alles, aber auch wirklich alles, versucht zu haben um den Abstieg zu vermeiden.
Hält der Verein die Liga, ohne dass van der Vaart gekauft wurde, wird die einhellige Meinung sein: Glück gehabt.
Hält der Verein die Liga und der Vorstand hat die Verpflichtung vorgenommen, hat er alles richtig gemacht. So einfach ist es!

 

Matrix für

Abstieg

den Vorstand

ja

nein

Kauf nein

-100

±0

ja

-50

+50

Diese sogenannte Pay-Off-Matrix ist aus der Spieltheorie bekannt. Es wird klar ersichtlich, dass „Kauf“ für beide mögliche Ergebnisse „Abstieg“ und „Nicht-Abstieg“ für den Vorstand die bessere Alternative ist.

Deshalb war klar, dass der Vorstand in der gegebenen Konstellation die Verpflichtung von Rafael van der Vaart unbedingt realisieren muss, fast egal zu welchem Preis, zumal Milliardär Kühne weitreichende Zusagen gemacht hat, viel weiter reichend als ihm wohl selbst bewusst war (siehe dazu Blogbeitrag Wann ist genug genug?).